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Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Gebannt - Unter Fremdem Himmel

Titel: Gebannt - Unter Fremdem Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Rossi
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ziehen. Sie benötigte ihre ganze Konzentration, um ihre Hand zum Gesicht zu führen, und jagte sich damit selbst einen Schrecken ein, da sie die Handschuhe über ihren Fingern nicht erkannte und auch nicht die Leere um ihr linkes Auge. Erschöpft ließ sie die Hand sinken – sie gehorchte ihr ohnehin kaum mehr. Ihr Arm rutschte vom Bettrand. Sie registrierte es zwar, war aber nicht in der Lage, ihn wieder hochzuziehen. Schließlich schloss sie die Augen. War Lumina etwas zugestoßen? Oder Paisley? Ein Brummen dröhnte durch ihre Gedanken, wie eine Stimmgabel tief in ihrem Schädel. Und schon bald konnte sie nicht mehr sagen, was sie so traurig gestimmt hatte.
    Aria hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war, als Dr. Ward in ihr Zimmer zurückkehrte. Ohne Smarteye fühlte sie sich, als wüsste sie rein gar nichts mehr.
    »Tut mir leid, dass ich die Beruhigungsmitteldosis erhöhen musste«, erklärte er und hielt inne. Offenbar wartete er darauf, dass sie etwas erwiderte. Doch sie hielt den Blick auf die Lampen an der Decke geheftet, bis sie nur noch leuchtende Punkte sah. »Man erwartet dich im Vernehmungsraum, damit die Ermittlungen beginnen können«, fügte er schließlich hinzu.
    Die Ermittlungen! War sie jetzt eine Kriminelle? Luft entwich ihrem Medi-Anzug.
    Ward trat näher und räusperte sich. Als er die Nadel aus ihrem Arm entfernte, zuckte Aria zusammen. Den Schmerz konnte sie ertragen, nicht aber die Berührung seiner Hände. Sie stemmte sich in eine aufrechte Position, worauf ihr prompt schwindlig wurde.
    »Komm«, sagte Ward. »Die Konsuln erwarten dich.«
    »Die Konsuln ?«, fragte Aria überrascht. Die Konsuln waren die einflussreichsten Leute in ganz Reverie und herrschten über sämtliche Lebensbereiche in der Biosphäre. »Etwa Konsul Hess? Sorens Vater?«
    Dr. Ward nickte. »Von den fünfen wird er die Ermittlungen leiten. Schließlich ist er der Sicherheitschef.«
    »Ich will ihn aber nicht sehen! Es war doch Sorens Schuld. Er hat das Feuer entfacht!«
    »Aria, beruhige dich! Bitte sag jetzt nichts mehr.«
    Einen Augenblick starrten sie einander schweigend an. Aria hatte eine trockene Kehle und musste schlucken. »Ich darf die Wahrheit also nicht erzählen?«
    »Zu lügen würde dir nicht helfen«, erwiderte Ward. »Sie verfügen über Mittel und Wege, die Wahrheit ans Licht zu bringen.«
    Aria konnte nicht glauben, was sie da hörte.
    »Komm. Wenn du noch länger zögerst, wird man dich schon allein dafür verurteilen, dass du sie hast warten lassen.«
    Dr. Ward führte sie durch einen breiten, leicht geschwungenen Gang, sodass Aria nicht sehen konnte, was vor ihnen lag. Der Medi-Anzug zwang sie, mit gespreizten Beinen und Armen zu gehen. Sie fühlte sich, als würde sie wie ein Zombie hinter ihm herwatscheln – ein Eindruck, der durch ihre steifen Muskeln noch verstärkt wurde.
    Als ihr Blick auf die Wände fiel, entdeckte sie überall Risse und Rostflecken. Reverie existierte zwar schon seit fast dreihundert Jahren, doch bisher hatte sie noch nie Spuren gesehen, die vom hohen Alter der Anlage zeugten. Seit ihrer Geburt war Aria immer nur im Panop gewesen, Reveries ausgedehnter und makelloser Zentralkuppel. Dort spielte sich im Grunde das ganze Leben ab: auf vierzig Ebenen, die Wohn-, Unterrichts-, Ruhe- und Essbereiche umfassten, allesamt um ein großes Atrium gruppiert. Im Panop hatte Aria noch nie auch nur ­einen einzigen Riss gesehen – allerdings hatte sie auch noch nie danach gesucht …
    Die Gestaltung der Räumlichkeiten hatte man bewusst eintönig und uninteressant konzipiert, um eine maximale Nutzung der Welten zu gewährleisten. Sämtliche Aspekte der Wirklichkeit waren monoton gehalten, bis hin zu der grauen Kleidung, die sie alle trugen. Doch als Aria nun Dr. Ward folgte, fragte sie sich, wie viele andere Kuppeln der Biosphäre wohl ebenfalls heruntergekommen waren.
    Vor einer nicht näher gekennzeichneten Tür blieb Ward schließlich stehen. »Wir sehen uns dann später«, verkündete er, aber sein Tonfall klang wie bei einer Frage.
    Als Aria den Raum betrat, konnte sie die fünf Konsuln von Reverie nicht persönlich sehen. Denn das Pentavirat zeigte sich in der Öffentlichkeit stets in einem virtuellen antiken Senatsgebäude. Am Tisch saß daher nur ein einziger Mann.
    Sorens Vater. Konsul Hess.
    »Nimm Platz, Aria«, forderte er sie auf und deutete auf den Metallstuhl auf der anderen Seite des Tisches.
    Aria setzte sich und schaute nach unten auf die Tischplatte,

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