Gebannt - Unter Fremdem Himmel
die Kuppel reingelassen?«
»Ich stelle nur Fragen. Warum bist du die Einzige, die in eine Luftschleuse und damit in Sicherheit gebracht wurde? Wieso bist du nicht angegriffen worden?«
»Ihr Sohn hat mich angegriffen!«
»Beruhige dich, Aria. Diese Fragen sind reine Routine und nicht dazu gedacht, dich aus der Fassung zu bringen. Wir müssen einfach Fakten sammeln.«
Aria starrte auf das Smarteye von Konsul Hess und stellte sich vor, direkt mit Konsul Young zu sprechen. »Wenn Sie Fakten sammeln wollen«, sagte sie mit fester Stimme, »dann treiben Sie mein Smarteye auf. Dann werden Sie ja sehen, was wirklich passiert ist.«
Konsul Hess’ Augen weiteten sich überrascht, doch dann fing er sich schnell wieder. »Also hast du tatsächlich eine Aufnahme gemacht. Keine einfache Aufgabe, wenn das Eye deaktiviert ist. Kluges Mädchen. Genau wie deine Mutter.« Hess klopfte mit den Fingern auf den Tisch. »Nach deinem Eye wird gegenwärtig noch gesucht. Wir werden es ganz gewiss finden. Was hast du in der Aufnahme denn festgehalten?«
»Wie ich schon sagte: dass Ihr Sohn durchgedreht ist.«
Hess lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. »Das bringt mich jetzt in eine schwierige Position, nicht wahr? Aber ich kann dir versichern, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird. Die Sicherheit der Biosphäre hat oberste Priorität. Danke, Aria. Du warst sehr hilfsbereit. Fühlst du dich in der Lage, ein paar Stunden zu reisen? Deine Mutter möchte dich sehr gern sehen.«
»Sie meinen, ich soll tatsächlich nach Bliss?«
»So ist es. Ein Transporter wartet bereits auf dich. Lumina hat darauf bestanden, dich persönlich zu sehen, um sich zu vergewissern, dass man dir die angemessene Pflege zukommen lässt. Sie kann recht überzeugend sein, oder?«
Aria nickte und musste innerlich lächeln, da sie sich die Kraftprobe zwischen ihrer Mutter und dem Konsul nur zu gut vorstellen konnte. Lumina besaß die Hartnäckigkeit einer Wissenschaftlerin. Sie gab erst dann Ruhe, wenn sie das gewünschte Resultat erzielt hatte. »Mir geht es gut. Ich kann reisen.« Zwar fühlte sie sich alles andere als wohl, aber wenn sie dadurch schneller zu Lumina kam, würde sie eben so tun als ob.
»Gut.« Konsul Hess stand auf. Zwei Männer in den blauen Uniformen der Wachmannschaft von Reverie betraten den Raum und füllten ihn mit ihren imposanten Staturen, während zwei weitere draußen im Gang warteten. Ungeniert starrten sie auf die Stelle in Arias Gesicht, wo sich das Smarteye hätte befinden sollen.
Aria beschloss, dass es nichts brachte, ihr nacktes Auge weiter zu bedecken. Sie erhob sich vom Stuhl und musste einen Moment gegen heftige Schmerzen in ihren Gelenken und Muskeln ankämpfen.
»Passt gut auf sie auf«, wandte sich Konsul Hess an die Wachleute. »Und dir wünsche ich gute Besserung, Aria.«
»Danke, Konsul Hess.«
Er lächelte. »Du brauchst dich nicht bei mir zu bedanken. Das ist doch das Mindeste, was ich für dich tun konnte – nach allem, was du durchgemacht hast.«
Peregrine | Kapitel Sechs
Am späten Vormittag des nächsten Tages hängte Perry sich seinen Beutel und den Bogen über die Schulter und trat mit Talon aus dem Haus. Auf der Lichtung standen Fischer und Bauern – zu viele für diese Tageszeit. Sie unterhielten sich in kleinen Gruppen, als wäre der Arbeitstag schon zu Ende. Perry legte Talon eine Hand auf die Schulter und blieb stehen.
»Werden wir überfallen?«, fragte Talon.
»Nein«, erwiderte Perry. In den vorbeiziehenden Gerüchen lag nicht genug Panik für einen Überfall. »Vermutlich liegt es eher am Äther.« Die blauen Wirbel leuchteten stärker als in der Nacht. Perry konnte immer wieder einen flüchtigen Blick auf die zuckenden Lichterscheinungen hinter dichten Regenwolken werfen. »Dein Vater hat wahrscheinlich alle zusammengerufen.«
»Aber so schlimm sieht es doch gar nicht aus.«
»Stimmt«, sagte Perry. Wie alle erfahrenen Witterer konnte auch er Ätherstürme vorhersehen. Das Kribbeln in seiner Nase verriet ihm, dass sich der Himmel erst noch weiter zuziehen musste, bevor tatsächlich Gefahr drohte. Doch wenn die Sicherheit des Stamms auf dem Spiel stand, ging Vale generell kein Risiko ein.
Perry folgte dem Drängen seines knurrenden Magens und marschierte mit Talon zum Kochhaus. Dabei fiel ihm auf, dass sein Neffe das rechte Bein stärker belastete als das andere. Er humpelte zwar nicht deutlich, im Grunde kaum merklich, aber als eine Horde Jungen rufend und lachend
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