Gebannt - Unter Fremdem Himmel
schwierigen Situation. Wir haben nur deine Angaben als Informationen über die Ereignisse der vergangenen Nacht.« Der Konsul beugte sich vor, wobei sein Stuhl leicht über den Boden kratzte. »Ich will, dass du mir ganz genau erzählst, was in der Kuppel passiert ist.«
Aria schaute kurz hoch – auf der Suche nach möglichen Hinweisen in seinem kalten, starren Blick. Hatte man ihr Smarteye gefunden? Wusste Hess von der Aufnahme? »Was hat Soren Ihnen denn erzählt?«, fragte sie.
Ein mattes Lächeln umspielte Konsul Hess’ Mundwinkel. »Das ist vertraulich – genau wie deine Aussage. Vor Abschluss der Ermittlungen wird nichts davon nach außen dringen. Schieß los, wenn du so weit bist.«
Langsam strich Aria mit ihrem behandschuhten Finger über den Kratzer in der Tischplatte. Wie konnte sie Konsul Hess erzählen, zu welch einem Monster sich sein Sohn entwickelt hatte? Sie brauchte ihr Smarteye. Ohne dieses Gerät würde das Pentavirat alles glauben, was Soren ihnen auftischte. Das hatte Soren in der Landwirtschafts-Kuppel selbst gesagt.
»Je schneller wir das hier klären, desto eher kannst du gehen«, sagte Hess. »Du brauchst Zeit zum Trauern, wie wir alle. Der Schulunterricht und sämtliche nicht lebensnotwendigen Arbeiten fallen für den Rest der Woche aus, damit der Heilungsprozess beginnen kann. Man hat mir gesagt, dass dein Freund Caleb eine Trauerfeier für Paisley organisiert.« Er schwieg einen Moment und fuhr dann fort: »Und ich könnte mir vorstellen, dass du deine Mutter gern wiedersehen möchtest.«
Aria erstarrte und schaute ihn direkt an. »Meine Mutter? Ward hat doch gesagt, die Verbindung sei noch immer unterbrochen.«
Hess machte eine abschätzige Handbewegung. »Ward gehört nicht zu meinem Stab. Lumina macht sich große Sorgen um dich. Ich habe dafür gesorgt, dass du sie sehen kannst, sobald wir hier fertig sind.«
Tränen der Erleichterung schossen Aria in die Augen. Endlich hatte sie Gewissheit: Lumina ging es gut. Wahrscheinlich hatte ihre Mutter versucht, sie zu erreichen, als sie gerade in Ag 6 war, und deshalb nur eine Nachricht hinterlassen. »Wann haben Sie denn mit ihr gesprochen? Warum war die Verbindung so lange unterbrochen?«
»Nicht ich werde hier befragt, Aria. Ich möchte jetzt deinen Bericht hören. Und bitte von Anfang an.«
Zunächst nur zögernd erzählte Aria, wie sie ihre Smarteyes abgeschaltet hatten, aber als sie das Faulballspiel und das Feuer beschrieb, wurde sie immer zuversichtlicher. Jedes Wort brachte sie Lumina näher. Als sie zu der Stelle kam, wo die Jungen Paisley und ihr hinterhergejagt waren, geriet sie jedoch wieder ins Stocken, und ihre Stimme brach. »Als er … als Soren mir das Smarteye abgerissen hat, bin ich wohl ohnmächtig geworden. Ich kann mich an nichts mehr danach erinnern.«
Konsul Hess stützte sich mit den Armen auf den Tisch. »Warum sollte Soren so etwas tun?«
»Das weiß ich nicht. Fragen Sie ihn doch.«
Hess’ glanzlose Augen schienen sie zu durchbohren. Stellten die anderen Konsuln mithilfe seines Smarteyes ebenfalls Fragen? »Er sagte, es sei deine Idee gewesen, in Ag 6 einzudringen. Du hättest versucht, an Informationen über deine Mutter zu kommen.«
»Es war seine Idee!«, protestierte Aria aufgebracht, worauf ein jähes Stechen in ihrem Kopf sie zusammenzucken ließ. Beruhigungsmittel. Schmerz. Kummer. Sie wusste nicht, was davon am meisten wehtat. »Soren wollte ein echtes Abenteuer erleben. Er war komplett vorbereitet und hatte alles dabei, um ein Feuer zu entfachen. Ich bin nur mitgegangen, weil ich dachte, er könnte mir etwas über Bliss erzählen.«
»Wieso hat man dich in der äußeren Luftschleuse gefunden?«
»Keine Ahnung. Ich kann mich an nichts erinnern – das sagte ich doch schon. Ich habe das Bewusstsein verloren.«
»War noch jemand mit dir da drin?«
»Noch jemand?«, fragte sie. Wer hätte sich sonst noch in einer Kuppel aufhalten können, deren Betreten verboten war? Plötzlich erschien vor ihrem inneren Auge jedoch ein verschwommenes Bild. War das wirklich passiert? »Da war …«, setzte sie widerstrebend an, »da war ein Außenseiter.«
»Ein Außenseiter«, wiederholte Konsul Hess in ausdruckslosem Ton. »Und wie, glaubst du, ist es einem Außenseiter gelungen, an genau dem Abend in Ag 6 einzudringen, an dem ihr euch dort Zutritt verschafft hattet? Zum exakt selben Zeitpunkt, als Soren das System deaktiviert hatte?«
»Werfen Sie mir etwa vor, ich hätte einen Barbaren in
Weitere Kostenlose Bücher