Gebieter der Träume
Bruder den Hut ziehen … es ist keine geringe Leistung, die Liebe eines Menschen zu gewinnen. Die Fähigkeit des menschlichen Herzens, sich für denjenigen zu opfern, den es liebt – auf dem ganzen Olymp gibt es nichts, was sich auch nur ansatzweise damit vergleichen ließe.«
Bei diesen Worten und bei der Art, wie er sie aussprach, überkam Geary eine merkwürdige Kälte. Es verriet ihr etwas über diesen Fremden. »Sie haben die Liebe erlebt.« Das war eine Feststellung.
Sein Kiefer bewegte sich, als würde er die Zähne zusammenbeißen, und seine Augen wurden dunkel vor Schmerz. »Die Oneroi verstehen nichts von Liebe, und die Skoti sogar noch weniger.«
Doch sie glaubte ihm nicht. Er hatte die Liebe erlebt, und so, wie es aussah, hatte er sie verloren. »Warum sind Sie dann hier?«
»Um Sie zu warnen, damit Sie keine Dummheiten machen.«
Na, das war ja nett von ihm. Aber sie brauchte seine Warnung nicht. Dumm war sie nie gewesen. »Und in welcher Hinsicht mache ich Dummheiten?«
»Sie haben Ihr Herz jemandem geschenkt, der einen Verrat an Ihnen begangen hat.« Er ließ seinen Blick bedeutungsvoll auf Arik ruhen.
Geary spottete: »Da liegen Sie falsch. Arik liebt mich.«
M’Adoc schüttelte den Kopf. »Arik hat keine feste Weltanschauung. Wenn es so wäre, dann hätte Solin es nie geschafft, ihn zu verwandeln.«
»Das wissen Sie doch gar nicht.«
»O doch, das weiß ich. Arik ist schwach. Er ist immer schon schwach gewesen.«
»Sie …«
»Pst«, sagte er und schnitt ihr das Wort ab. »Ehe Sie ihn verteidigen, fragen Sie sich einmal Folgendes: Wie kann ein Skotos zum Menschen werden?«
»Das hat er mir schon erzählt. Er hat einen Handel mit Hades abgeschlossen.«
»Sie sind doch eine Frau, die sich ihr ganzes Leben lang mit alten griechischen Angelegenheiten beschäftigt hat. Haben Sie denn dabei gar nichts über uns gelernt? Hat ein Gott jemals ein solches Geschenk gemacht, ohne dass er im Gegenzug dafür etwas ungeheuer Wertvolles erhalten hätte?« In seiner Stimme schwang etwas Eigenartiges mit.
»Was meinen Sie?«
»Sie bedeuten Arik so viel, dass er Ihr Leben im Tausch dafür gegeben hat, dass er hier sein kann. Er ist nicht derjenige, der sterben wird, wenn seine Zeit hier zu Ende geht, mein liebes Kind.« Seine blauen Augen brannten vor Hitze.
» Sie sind es, die sterben wird.«
Geary schüttelte verneinend den Kopf. Das war völliger Schwachsinn, das wusste sie. »Sie lügen.«
»Ich kann gar nicht lügen. Ich bin ein Oneroi.«
»Was zum Teufel machst du denn hier?« Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Arik auf und stürzte sich auf M’Adoc. Sie erwartete, dass die beiden miteinander kämpfen würden. Stattdessen ließ M’Adoc zu, dass Arik ihn packte, gegen die Wand drängte und dort festhielt.
Wie es einem echten Oneroi zukam, zeigte M’Adoc weder Ärger oder irgendeine andere Gefühlsregung, sondern starrte ihn nur an. »Ich habe ihr die Wahrheit gesagt.«
»Was hast du?«, stieß Arik zwischen den Zähnen hervor.
»Ich habe ihr von deinem Handel mit Hades erzählt. Davon, dass du ihr Leben gegen deine Sterblichkeit eingetauscht hast.«
Arik wurde blass, und seine Augen füllten sich mit reinem Horror. Er stritt es nicht ab. Im Gegenteil, er wirkte schuldig.
Da wusste Geary, dass M’Adoc nicht gelogen hatte. »Stimmt das, Arik?«
Er fluchte und stieß M’Adoc noch einmal gegen die Wand. »Ich habe nicht die Absicht, diese Abmachung einzuhalten.«
M’Adoc schaute Geary an. »Wie ich gesagt habe: Er hat keine Stärke. Wir begreifen die menschlichen Gefühle nicht und können nicht damit umgehen. Wenn er in seinen wahren Zustand als Gott zurückgekehrt ist, dann wird er wiederkommen und Sie töten. Genau, wie er es Hades versprochen hat.«
»Schwachsinn!«, brüllte Arik.
Geary wollte an Ariks Zorn glauben. Sie musste daran glauben. Aber ein Teil von ihr fühlte sich zu M’Adoc hingezogen. Er hatte einen überzeugenden Beweis geliefert.
Er schaute seinen Bruder mit seinen kalten, gefühllosen Augen an, und sie fragte sich, ob Arik genauso aussehen würde, wenn seine Zeit hier erst einmal abgelaufen war. »Du weiß, dass es stimmt, Arik. Sobald du nicht mehr von menschlichen Gefühlen korrumpiert wirst und Hades dir befiehlt, sie zu töten, wirst du es tun. Du wirst gar keine andere Wahl haben, und du wirst auch nichts mehr für sie empfinden können.«
»Niemals!«
»Nicht einmal, wenn du im Tartaros angekettet bist und Hades dich fortgesetzt foltert?«
Arik
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