Gebieter des Sturms (German Edition)

dagegen zu wehren. Es gehört ebenso zu Uriens Vermächtnis wie die von ihm verabschiedeten Gesetze und die Art, wie er versucht hat, Adriyel von der Außenwelt abzuriegeln. Denn wegen seiner Taten war ich gezwungen, an einen anderen Ort zu fliehen, um zu überleben.«
    Aubrey sah sie mit einem schmerzlichen Ausdruck in den Augen an. »Wenn ich gewusst hätte, dass Sie am Leben sind, hätte ich niemals aufgehört, nach Ihnen zu suchen.«
    Ihre Miene wurde weicher. Es war offensichtlich, dass sie ihm glaubte. Es lag so viel Aufrichtigkeit in seiner Stimme, dass selbst Tiago ihm beinahe geglaubt hätte. Mit sanfter Stimme sagte sie: »Dass Sie das sagen, bedeutet mir mehr, als Sie ahnen können, aber das ist jetzt Schnee von gestern. Was ich aufzuzeigen versuche, ist, dass ich aufgrund der Ereignisse jemand geworden bin, der ich sonst nicht geworden wäre. Für eine Fee bin ich jung, und ich bin modern, und das sind die Dunklen Fae bei einem Herrscher nicht gewohnt. Ich mag die amerikanische Popkultur, Käsepizza, Liebesromane und Shopping in Mailand. Außerdem pflege ich dank Dragos unabhängige Beziehungen zu allen Alten Völkern auf dem US -amerikanischen Festland. Ich bin bei vielen Dingen bereit, Kompromisse einzugehen. Ich kann Ratschläge beherzigen und werde die Veränderungen vorsichtig und sanft herbeiführen, aber in diesem Punkt werde ich keinen Kompromiss machen. Ich vertraue Tiago mein Leben an, und im Augenblick kann ich niemandem sonst solches Vertrauen entgegenbringen, nicht einmal Ihnen.«
    Aubrey rieb sich die Stirn und sah unter seiner Hand hindurch erst sie, dann Tiago an. Nach einem Augenblick sagte er zu Tiago: »Beim ersten Anzeichen dafür, dass Sie in Wahrheit für die Wyr arbeiten, werde ich meine Unterstützung sofort zurückziehen.«
    »Nichts anderes würde ich erwarten«, sagte Tiago.
    Aubrey sagte eindringlich: »Sie ist die letzte Nachfahrin der Lorelle-Linie und das einzige lebende Vermächtnis ihres Vaters. Sie müssen bei allem stets das Beste für Niniane im Sinn und im Herzen haben und alles in Ihrer Macht Stehende tun, um sie zu schützen.«
    »Das«, erklärte ihm Tiago vollkommen ehrlich, »wird kein Problem darstellen.«
    Zu Niniane sagte Aubrey: »Nun gut! Ich werde Sie unterstützen.«
    Ninianes Gesicht hellte sich auf. Sie rutschte aus ihrem Sessel und ging zu Aubrey hinüber, um ihn zu umarmen. Tiago verspannte sich, er hasste es, dass sie diesem Mann so nahe kam – doch er ließ es geschehen, weil er begriff, dass es für die beiden wichtig, vielleicht sogar notwendig war. Dennoch beobachtete er Aubrey mit eifersüchtiger Aufmerksamkeit und registrierte genau, wo die Hände und Arme des anderen Mannes lagen, als dieser Ninianes Umarmung erwiderte. Er entspannte sich erst wieder, als sich der Dunkle Fae und Niniane voneinander lösten.
    Sie wandte sich zu Tiago um und suchte seinen Blick: Ich möchte ihm nicht zu viel auf einmal zumuten. Glaubst du, ich sollte ihm sagen, dass ich diejenigen vor Gericht bringen will, die Urien in der Nacht des Putsches unterstützt haben?
    Tiago studierte das Gesicht des Kanzlers nachdenklich. Veränderung, gemäßigt durch Geduld. Es war eine gute Strategie. Noch nicht. Halte dich an deine Ankündigung, Veränderungen langsam herbeizuführen. Für die Anklage der Fae wegen Hochverrats und Mordes ist auch nach deiner Krönung noch Zeit, wenn wir die Möglichkeit hatten, eine sichere Machtgrundlage zu etablieren. Fürs Erste … Er lächelte sie an und sagte voll tiefster Zufriedenheit: Gut gemacht.

15
    Als Niniane später hinter Naida die Treppe hinaufstieg, waren ihre Bewegungen langsam vor Erschöpfung. Sie hatte die Gärten und die weiteren Hauptbereiche des Hauses besichtigt und außerdem die Konten für die Instandhaltung des Anwesens flüchtig durchgesehen. Alles schien in Ordnung zu sein. Aubrey und sie hatten ein erstes Gespräch über die Finanzen der Dunklen Fae geführt, die nicht so stabil waren, wie ihr lieb gewesen wäre – doch nach ihrer Unterredung mit Carling überraschte sie das nicht.
    Er gab ihr auch einen Überblick über den Umfang ihres Erbes aus Uriens Privatvermögen. Die Summe, die Urien angehäuft hatte, war atemberaubend. Sie rief sich ins Gedächtnis, dass das Vermögen ihrer Familie in seines übergegangen sein musste. Im Anschluss daran traf sie sich einzeln mit Kellen und Arethusa, um sie darüber zu informieren, dass Tiago sie als ihr Sicherheitschef nach Adriyel begleiten würde. Kellen reagierte