Gebieter des Sturms (German Edition)
hörte auf zu denken Das kann nicht sein und überließ sich stattdessen seiner Fürsorge.
Tiago spürte, dass jemand in der Nähe war. Er wandte den Kopf und bedachte den Arzt, der nach ihnen sehen wollte, mit einem messerscharfen Blick. Der Mensch zuckte zurück und hob verständnisvoll die Hand, bevor er sich außer Sichtweite begab. Tiago wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem kleinen Bündel Elend zu, das er mit solch unerbittlichem Beschützerwillen festhielt.
Er legte die Wange auf ihren Kopf. Der Geruch nach Zigarettenrauch war verflogen, und ihr weiches, seidiges schwarzes Haar roch nach Kräutershampoo, Regen und Weiblichkeit. Er drückte einen Kuss auf die zarte Kontur ihrer Schläfe.
Was hatte sie an sich, das ihn so durcheinanderbrachte? Die meiste Zeit über hatte er sie kaum mehr beachtet, als über etwas, das sie sagte oder tat, amüsiert eine Braue zu heben oder den Kopf zu schütteln, wenn wieder jemand ihrem undefinierbaren, übersprudelnden Zauber zum Opfer fiel.
Ihre Verletzung, ihre Schwäche war wie eine Geißel unter seiner Haut, die tief in seinem Inneren Stellen traf, von deren Existenz er nichts gewusst hatte. Er legte ihr die Hand auf den Hinterkopf und vergrub sie in ihren Haaren. Der rachedurstige Kriegsherr in ihm gierte danach, Geril zu vernichten. Aber der Dunkle Fae war schon tot. Er wollte irgendjemandem schwere Verletzungen zufügen, aber niemand war da, gegen den er kämpfen konnte. Das machte ihn irre. Er hatte all diese Wut in sich und nichts, woran er sie ablassen konnte. Gnade der Himmel dem Idioten, der den nächsten Anschlagsversuch verüben wollte! Tiago würde mit der gesamten angestauten Gewalt einer zornigen Naturkatastrophe über ihn hereinbrechen.
Niniane war zu erschöpft, um lange zu weinen; noch immer wurde sie von Fieberschauern geschüttelt. Als er ihr Zittern spürte, ließ sich Tiago auf die Fersen zurücksinken. Er zog ein Messer aus der Seitentasche seiner Kampfhose und schnitt ihr das T-Shirt vom Leib. Das winzige Tarn-Shirt mit den Spaghettiträgern, das sie darunter trug, war ebenfalls ziemlich lädiert und unterhalb ihrer Brüste mit Blut befleckt. Er schnitt auch das Shirt weg, bis sie nur noch ihren Sport- BH und diese lächerlichen Shorts anhatte.
Dann trug er sie ins abgedunkelte Schlafzimmer, steckte sie in das große Bett und hängte den Infusionsbeutel an den Ständer der Nachttischlampe. Als sie zitternd unter der Decke lag, setzte er sich neben sie auf die Bettkante und strich ihr die Haare aus der Stirn. Ihre großen dunkelgrauen Augen schimmerten wie Edelsteine unter den halb geschlossenen Lidern.
Er rief nach dem Arzt, und dieser kam sofort ins Zimmer, um den Ausheilungszauber auszusprechen. Einige Augenblicke lang wurde ihr Körper von einer seltsamen, prickelnden Energie ausgefüllt, die schon bald wieder verebbte und eine bis ins Mark dringende Lethargie hinterließ. Ihr Körper würde einige Zeit brauchen, bis er begriff, dass es keine Infektion mehr gab, gegen die er ankämpfen musste. Der Arzt stellte einige Flaschen Wasser auf den Nachttisch und versprach, nach ihr zu sehen, sobald sie aufwachte.
Als er hinausging, ließ er die Schlafzimmertür einen Spaltbreit offen, durch den ein Lichtstreifen auf das Fußende des Betts fiel.
Tiago streckte sich neben ihr auf der Decke aus, die allgegenwärtige Glock lag griffbereit auf dem Nachttisch neben den Wasserflaschen. »Ich bleibe, bis du eingeschlafen bist«, sagte er, nachdem er sich auf die Seite gedreht hatte, um sie ansehen zu können.
Einen panischen Moment lang glaubte ihr übermüdetes Hirn, er wollte sie tatsächlich verlassen, sobald sie eingeschlafen war, aber so früh durfte er noch nicht gehen. Sie war noch nicht bereit, auf sich allein gestellt zu überleben. Dann verschränkte er seine Finger mit ihren, und die Vernunft holte sie wieder ein. Sie nickte und ließ ihre Augen zufallen.
Mit ruhiger Stimme fragte Tiago: »Warum tust du das? Warum hast du darauf bestanden, hierherzukommen, als ich dich nach New York zurückbringen wollte? Es ist bewundernswert, wenn du verhindern willst, dass jemand wie Urien den Thron der Dunklen Fae besteigt, aber du hast deutlich zu verstehen gegeben, dass du eigentlich nicht Königin sein willst.«
Sie schwieg eine lange Zeit, bis er schon glaubte, sie sei eingeschlafen. Dann sagte sie: »Ich weiß nicht, ob ich es richtig in Worte fassen kann. Du hast draußen gesagt, dass Niniane nicht gestorben, sondern nur untergetaucht ist, und in
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