Gebieter des Sturms (German Edition)
sich den Infusionsbeutel über einen Finger und trug sie, noch immer in eine Decke gewickelt, durch das angrenzende Schlafzimmer ins dahinterliegende Bad.
Vorsichtig stellte er sie auf die Füße. Sie drehte sich um und streckte die Hand nach dem Infusionsbeutel aus. Er zog ihn aus ihrer Reichweite. »Lass das«, sagte er. »Ich werde dir helfen.«
Ihre Wangenknochen färbten sich fiebrig. Stirnrunzelnd sah sie ihn an. »Das glaube ich nicht. Hier ist Endstation für dich, Cowboy.« Als er den Mund öffnete, um zu widersprechen, sagte sie: »Es gibt Dinge, die ein Mädchen gern allein tut.«
Erheiterung tanzte in seinen Augen. »Es gibt nichts, was du tun könntest, das ich nicht schon tausendmal bei einer ganzen Armee hässlicherer, stärker behaarter Leute gesehen hätte.«
»Das kann sein«, sagte sie würdevoll. »Aber mich hast du noch bei nichts von alledem gesehen. Bitte, streite nicht mit mir darüber, Tiago! Ich bin müde, mir tut alles weh, und ich will ins Bett.«
Er presste die Lippen zusammen, nickte jedoch. Nachdem er die Innenseite der Badezimmertür überprüft hatte, hängte er den Infusionsbeutel an den Haken, den er dort vorfand. »Schließ die Tür nicht ab«, sagte er. »Ich bin direkt auf der anderen Seite.«
Wer hätte gedacht, dass die wahre Tiergestalt des Wyr-Kriegsherrn eine Glucke war? Seufzend verdrehte sie die Augen. »Ist gut. Raus jetzt!«
Er schloss die Tür.
Während sie die Toilette benutzte, dachte sie über die möglichen Vorzüge einer weiteren Dusche nach. Doch ihr fehlte einfach die Kraft, herauszufinden, wie sie das mit einer Infusionsnadel im Handrücken bewerkstelligen sollte. Also nutzte sie stattdessen die vom Hotel bereitgestellten Pflegeartikel, um sich am Waschbecken das Gesicht zu waschen und sich die Zähne zu putzen.
Sie hatte so viel zu erledigen und zu planen und musste sich durch ein riesiges politisches Minenfeld manövrieren, und dabei war sie schon mit der Aufgabe, sich einfach nur zu waschen, beinahe überfordert. Wie lange würde Tiago bleiben, um ihr zu helfen? Er hatte versprochen, so lange zu bleiben, bis es ihr besser ging, aber was bedeutete das? Würde er aufbrechen, wenn sie etwas geschlafen hatte und er sie in guten Händen wusste? Das war wohl am wahrscheinlichsten.
Sie fing wieder an zu zittern und fühlte sich nicht ganz zurechnungsfähig, als sie die Badezimmertür öffnete. Direkt davor lehnte Tiago mit verschränkten Armen an der Wand und wartete auf sie. Als die Tür aufging, richtete er sich auf. Sie fragte: »Kannst du mir helfen, dieses blutverklebte Oberteil auszuziehen?«
Er blickte in ihr verzweifeltes Gesicht, und seine Miene wurde sanfter. »Natürlich.« Er klappte den Toilettendeckel herunter und half ihr, sich draufzusetzen. Dann kniete er vor ihr nieder und streichelte ihre Hand, während er ihr besorgt in die Augen sah. »Ist es das T-Shirt, das dich so unglücklich macht?«
Sie wich seinem Blick aus und schüttelte den Kopf. Ihre Lippen zitterten.
»Was ist es dann?« Er senkte den Kopf und versuchte, ihren Blick aufzufangen. Sie ließ es nicht zu. »Sprich mit mir!«
Sie musste es jemandem erzählen, wenigstens ein einziges Mal. »Ich hätte mir einen Cousin gewünscht, der mich gernhat«, flüsterte sie. Ihr Gesicht verzog sich.
Der Atem wich aus seinen Lungen, als hätte sie ihm einen unerwarteten Schlag versetzt. Er zog sie eng an sich. Sie legte den Kopf an seine Schulter und weinte, während er sie hin und her wiegte. Er war so groß, dass er das ganze Bad ausfüllte. Es kam ihr so richtig vor, sich an ihn zu lehnen, seinen Duft einzuatmen und zuzulassen, dass er ihr übers Haar und den Rücken strich und beruhigend in ihr Ohr murmelte. Beinahe ließ er sie an das Gute glauben, und sie war zu müde, um dagegen anzukämpfen. Sie lehnte sich an ihn an und ließ ihre kalten, müden Knochen seine Stärke und Wärme aufsaugen.
»Es wird nie wieder passieren«, sagte er. »Das schwöre ich. Ich wünschte nur, ich wäre schon beim ersten Mal da gewesen, um es zu verhindern. Es ist beschissen, dass ich nicht da war. Aber jetzt, Fee, sage ich dir: Es wird niemals wieder passieren.«
Sie bettete ihre Wange in die Mulde über seinem kräftigen Schlüsselbein. Seine starken Brustmuskeln waren fest, und als er die Arme um sie legte, spürte sie die Erhebungen seines angespannten Bizeps. Er sprach mit der Inbrunst eines Schwurs, während seine Hand auf ihrem Hinterkopf lag und sie das Gesicht an seinem Hals barg. Sie
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