Gebieter des Sturms (German Edition)

Nachttischlampe lag auf dem Boden. In der Luft hingen ein fremdartiger, wilder Geruch und das Gefühl, dass Unmengen magischer Energie freigesetzt worden waren. Er spürte die verblassenden Überreste des ungezügelten Ausbruchs einer unbekannten Kraft.
    Sein Magen fiel ins Bodenlose. Nicht zu glauben, dass sie schon wieder verschwunden war. Aber dieses Mal nicht freiwillig.
    »Oh Scheiße!«, flüsterte er. »Niniane.«

7
    Nachdem Tiago aus dem Zimmer gegangen war, hatte sie auf dem Bett gelegen und einige lange Augenblicke an die Decke gestarrt. Ohne die Vitalität seiner Gegenwart, die sie stimuliert und gestützt hatte, stahl sich die Lethargie des Ausheilungszaubers wieder in ihren Körper. Zunächst war sie nicht sicher, ob sie ihre zittrigen Glieder dazu bringen konnte, sie zu tragen.
    Endlich fand sie die Kraft, sich in eine aufrechte Position zu stemmen. Sie überlegte, ob sie sich etwas Öffentlichkeitstauglicheres anziehen sollte, doch das erschien ihr viel zu anstrengend – von dem Versuch, sich mit der Politik der Alten Völker auseinanderzusetzen, ganz zu schweigen. Sie sollte allen eine Nachricht schicken, dass sie noch mindestens einen Tag brauchen würde, um sich zu erholen.
    Wie Tiago gesagt hatte: Lass die Welt auf dich warten. Pah! Sie fragte sich, wie es ihm gefallen würde, wenn sie dieses Argument gegen ihn vorbringen würde. Aber nein, sie wusste bereits, wie es ihm gefallen würde – Herr Bulldozer würde jeden Einwand niederwalzen, den sie erheben könnte. Also ging sie davon aus, dass sie das Gespräch, das er führen wollte, auch führen würden. Danach konnte sie sich vielleicht hinlegen und sich alte Filme auf dem TCM -Kanal ansehen. Zwischen ein paar Nickerchen würde sie die Pralinenschachtel, die er ihr geschenkt hatte, leer essen und könnte für eine kleine Weile so tun, als würde die Welt da draußen nicht existieren.
    Als sie aufstehen zu können glaubte, schob sie sich mit einem schmerzlichen Ächzen auf die Füße.
    In diesem Augenblick kam der Wirbelsturm ins Zimmer.
    Von einem Schritt zum nächsten stand sie mitten in einem Energiestrudel. Sie hielt sich eine Hand vor die Augen und spähte zwischen den Fingern hindurch, während vor ihr ein Mann Gestalt annahm. Langes rabenschwarzes Haar peitschte um ein elegantes, blasses und unmenschliches Gesicht. Zwischen den Strähnen blickten zusammengezogene kristalline Diamantaugen hindurch. Der Rest seines Körpers verfestigte sich. Er war so groß wie Tiago, hatte jedoch passend zu seinem Gesicht eine schlanke, grazile Figur. Er trug eine Leinentunika und eine Hose, die schlicht war und doch fremdartig wirkte. Als er Niniane erblickte, hob sich sein Mundwinkel zu einem triumphierenden Lächeln.
    Einem Lächeln, das nur allzu deutlich sagte: Hab ich dich!
    Sie wich hastig zurück, stieß gegen den Nachttisch und warf eine Lampe um. Dann holte sie Luft, um zu schreien. Der Mann ergriff sie mit unglaublich schnellen Bewegungen. Er schlug ihr eine Hand vor den Mund und schlang einen Arm um ihre Taille. Eisern hielt er sie fest. Sie quiekte und krallte die Finger in seinen Handrücken.
    Erneut erhob sich der heulende Sturm, und diesmal verschwand die Welt um sie herum, als der Wirbelsturm sie verschluckte.
    Entsetzen raste durch ihre Gedanken. Das einzig Feste und Stabile war die Kreatur, die sie an ihren schlanken, muskulösen Körper gedrückt gefangen hielt. Dann tauchte die Welt um sie herum wieder auf: Wände, eine Zimmerdecke, Möbel und Boden unter ihren Füßen.
    Sie nahm sich nicht die Zeit, sich umzusehen oder zu orientieren, sondern stieß sich sofort von ihm ab, drehte sich um die eigene Achse und schlug ihrem Entführer, so fest sie konnte, ins Gesicht.
    Sie führte den Schlag mit der rechten Hand aus, ihrer stärkeren Seite, die auch die unverletzte war. Sie hatte Glück – als der Mann den Kopf zurückriss, spürte sie, wie seine Nase knirschte.
    Seine seltsamen Diamantaugen loderten. Keuchend stolperte sie einige Schritte rückwärts, die Hand wieder gegen ihre verwundeten Rippen gepresst. Champagnerfarbene Flüssigkeit tropfte aus einem seiner fein geschnittenen Nasenlöcher. Vor ihren Augen richtete sich seine gebrochene Nase von selbst wieder.
    »Du bist ja aus Knetmasse«, sagte sie ehrfürchtig und nicht wenig verärgert. Heilten all seine Körperteile von allein wieder, wenn er verletzt wurde? Wie sollte man gegen jemanden kämpfen, bei dem nicht gebrochen blieb, was gebrochen war?
    Er machte sich nicht die