Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebieter des Sturms (German Edition)

Gebieter des Sturms (German Edition)

Titel: Gebieter des Sturms (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Harrison
Vom Netzwerk:
Obwohl sie keine Wyr war, so war doch jeder Zentimeter an Carling ein Raubtier, und Niniane tat gut daran, das nicht zu vergessen.
    Genau genommen war Carling nicht mehr die Königin der Nachtwesen. In einem beispiellosen Schachzug hatte sie formal abgedankt, als sie Ratsmitglied im Tribunal der Alten Völker geworden war. Carling hatte sich eine Gesetzeslücke zunutze gemacht, die bei der Gründung des Tribunals der Alten Völker in den 1790er-Jahren bestanden hatte. Das entsprechende Gesetz schloss zwar jeden Herrscher eines Alten Volkes davon aus, das Amt zu übernehmen, versäumte jedoch, eine solche Position auch ehemaligen Herrschern zu verweigern. Nach Carlings Abdankung war ihr Zögling Julian Regillus König der Nachtwesen geworden. Inzwischen war das gesetzliche Schlupfloch geschlossen worden, doch es war längst anerkannt, dass Regillus nach den Anweisungen seiner Ziehmutter handelte und Carling de facto Herrscherin der Nachtwesen blieb, während sie außerdem die Macht ihres Sitzes im Tribunal der Alten Völker innehatte.
    Dass sie nicht allein im Zimmer waren, fiel Niniane erst auf, als Carling eine Handbewegung machte und sich daraufhin eine Dienerin, eine blonde, blasse, hübsche Frau mit gesenktem Blick, leise zurückzog. Niniane sah sich um. Sie bemerkte Ähnlichkeiten zwischen dieser Hotelsuite und derjenigen, die sie mit Tiago belegte. Ihr fielen auch die Veränderungen auf, die an Möblierung und Ausstattung vorgenommen worden waren, wie die exquisite Damastseide, die über dem Couchtisch drapiert worden war, und die antike, mit Einlegearbeiten versehene Mahagonitruhe, die man an einer Wand aufgestellt hatte. Das Fernsehgerät und die Hotelgemälde waren entfernt worden, wodurch das Zimmer größer, geräumiger und fremdartig wirkte.
    Sie hielt ihren Atem ruhig und die Hände im Schoß gefaltet, während sie die stumme Botschaft in sich aufnahm, die in den Raum eingeschrieben war: dass sie sich jetzt auf Vampyr-Territorium befand.
    Sie sagte: »Einen Dämonen-Prinzen in seiner Schuld stehen zu haben, muss eine ziemliche Rarität sein. Es erscheint mir ziemlich verschwenderisch, einen solch magiegewaltigen Gefallen einzusetzen, um mich nur eine Hoteletage höher zu transportieren.«
    »Ihr Wyr war hinderlich und respektlos«, sagte Carling. Die Miene der Vampyrin wurde zu einer exquisiten Eisskulptur. »Er musste eine Lektion erteilt bekommen.«
    Ninianes Hände schlossen sich fester umeinander, während sie eine Aufwallung von Ärger niederrang. Ihr Wyr. Es kam ihr fast so vor, als hätte Carling Tiago als »ihr Schoßtier« bezeichnet. Ein Teil von ihr bemerkte Carlings subtiles, unerklärliches Lächeln. Merkwürdig. Während sie sich fragte, was dieses Lächeln bedeuten mochte, sagte sie unter vorsichtigem Verzicht auf jegliche Betonung: »Ich möchte hoffen, dass niemand beabsichtigt, respektlos zu sein, Rätin.«
    Sie hielt inne, um die mehrfachen Bedeutungen ihrer Aussage die Stille des Raums durchdringen zu lassen. Die Vampyrin saß ihr gegenüber und stellte eine Geduld zur Schau, die ebenso unmenschlich war wie der Rest von ihr. Carlings unerklärliches Lächeln wurde breiter, als sie sagte: »Ich bin sicher, Dragos wird Sie als diplomatische Kraft vermissen, obwohl gesagt sein muss – noch sind Sie nicht die Königin der Dunklen Fae.«
    Was meinte Carling damit? Offenbar war es irgendeine Art Warnung. Sie konnte nicht erkennen, ob diese Warnung freundlicher Natur war oder nicht. Ninianes Anspannung wuchs. Solange sie es nicht verstand, sollte sie es für den Augenblick lieber ignorieren, zumindest im Gespräch. Scheinbar zustimmend sagte sie: »Es hat bereits einige Herausforderungen gegeben, und ich bin sicher, dass mir weitere bevorstehen. Ich bin dankbar, dass der Kriegsherr Wächter Tiago mir im rechten Moment zu Hilfe kam. Ihnen ist vielleicht noch nicht zu Ohren gekommen, dass er gerade rechtzeitig zur Stelle war, um einen zweiten Mordanschlag zu vereiteln.«
    Carlings liebreizende Augenlider senkten sich. Für einen Augenblick verharrte die Vampyrin vollkommen reglos – eine unvergleichlich schöne Frau vor einer Kulisse aus antiker Seide und Mahagoni. Die Szene war so lebendig und anachronistisch, dass Niniane ein desorientiertes Kribbeln verspürte, als würde sie ein Gemälde eines Alten Meisters betrachten oder als hätte sich die Zeit selbst aufgetan, um ihr einen Blick in die ferne Vergangenheit zu eröffnen.
    Dann schaltete sich die Klimaanlage des Hotels ein. Wie eine

Weitere Kostenlose Bücher