Gebieterin der Finsternis
Kleines neben ihre Füße.
Ein weißer Kieselstein, verschmiert von ihrem Blut.
Sie widerstand dem Impuls, ihn aufzuheben. Tott könnte sowieso höchstens wenige Stunden überleben, denn Golemmagie war stets kurzlebig. Der kleine Mann, der so dankbar für jenen Schluck Leben gewesen war, der ihm nie hätte zukommen dürfen, hatte seine Existenz willentlich geopfert. Wäre es besser, er hätte überhaupt nie gelebt? Artemis wusste es nicht. Sie wusste lediglich, dass sie um ihn trauern würde. Und das war vermutlich mehr, als die meisten Golems von ihren Schöpfern erwarten konnten.
Die ruinierten Pfortenflügel hingen schief in den Angeln, und ein riesiges Loch klaffte im Schutzzauber. Durch diesesÖffnung rannte Artemis, drängte sich an den verdutzten Fans vorbei und hinter den weißen Van. Der frisch aufgezogene Ersatzreifen glänzte dunkler als die anderen.
Eilig riss sie die Fahrertür auf. Als sie hinters Lenkrad stieg, stellte sie fest, dass das Glück zur Abwechslung auf ihrer Seite war: Der Schlüssel steckte.
»Hey!« Links neben dem Kühler tauchte das Mädchen mit dem gesträhnten Haar auf, deren T-Shirt ein Bild des lächelnden Mac zeigte. »Raus da!«
Artemis ließ den Motor an.
Kurzentschlossen warf sich das Mädchen auf die Kühlerhaube. »Stopp! Das ist mein Minibus!«
Artemis drehte das Fenster runter und beugte den Kopf raus. »Hau ab da, oder bist du total bescheuert? Hast du etwa nicht gesehen, was ich mit dem Tor gemacht habe? Willst du, dass ich dir einen Zauber verpasse?«
Das Mädchen riss den Mund auf. »Das bist ja
du!
Du bist mit Mac gekommen. Heute Morgen«, hauchte sie. »Hast du … ach du Schande! Hast du es mit ihm getrieben? Hast du? Wie war er?«
Artemis legte den Rückwärtsgang ein. »Runter von der Motorhaube. Sofort!«
»Aber …« Der Gesichtsausdruck des Mädchens wechselte von Ehrfurcht zu Panik, während es nach dem Seitenspiegel griff, um sich Halt zu verschaffen. »Nein! Der Wagen gehört meinem Dad! Den kriegst du nicht, sonst killt er mich.«
»Tut mir leid, echt, aber ich brauche ihn dringender als ihr. Und jetzt runter da. Du hältst mich nicht auf. Außerdem verpasst du den ganzen Spaß.«
»Spaß?«
»Ja, Spaß.« Artemis nickte zum Herrenhaus. Die anderenMädchen strömten über den Rasen, dicht gefolgt vom Photographen. »Mac wartet. Und deine Freundinnen haben schon reichlich Vorsprung.«
»Was? Oh, verfluchte Scheiße!« Erwartungsgemäß kletterte das Mädchen wieder runter und lief den anderen nach. »Wartet! Wartet auf miiiiich!«
Artemis trat das Gaspedal und bog auf die Straße, dass hinter ihr die Kiesel aufflogen. Auf dem Weg zur Autobahn stieß sie einen Laut aus, der halb Schluchzen, halb hysterisches Lachen war.
Armer Mac.
Kapitel 8
Mac wurde von einem Geräusch geweckt, das sich wie ein Gewehrschuss anhörte, gepaart mit einer paranormalen Todeswelle. Keuchend mühte er sich, richtig wach zu werden. Er hatte einen Geschmack im Mund wie Schafmist, und seine Gelenke brannten wie Säure. Noch dazu hämmerte es in seinem Schädel, als wäre dort ein Schmied am Werk.
Dennoch waren die physischen Schmerzen nichts, gemessen an der klaffenden Wunde in seiner Psyche. Dort war ein Loch, wo ein Stück seiner Seele sein sollte. Noch nie hatte er sich so entblößt gefühlt, so schmutzig und … benutzt.
Von
Artemis
.
Ruckartig setzte er sich im Bett auf. Verflixt und zugenäht! Die Hexe war fort. Und der bittere Nachhall ihres Zaubers klebte an seiner Haut, schwebte über ihm. Sie hatte ihn ausgetrickst, ihn mit Sex abgelenkt und seine Verblendung genutzt, um mittels Todesmagie in seine Seele einzudringen und sich zu nehmen, was sie wollte.
Fluchend sprang er aus dem Bett. Wenige Schritte weiter war die faulige Aura deutlich schwächer. Verärgert blickte Mac zur Matratze und beugte sich gerade weit genug hin, um einen Zipfel der Decke zu greifen und sie runterzureißen. Den Beweis für Artemis’ Verbrechen lieferten die vier Ecken des weißen Bettlakens, in Form von vier kleinen rostroten Flecken. Sie befanden sich jeweils unten an den Pfosten und waren nicht größer als Macs kleinster Fingernagel.
Das Hämmern in seinem Kopf wurde schlimmer.
Blut.
Ihr
Blut.
Sie hatte ihn mit einem Zauber belegt. Mit Todesmagie. Gerade als er … als sie …
Götter in Annwyn!
Was für ein Idiot er war. Er hätte wissen müssen, dass eine Todeshexe keinen Sex umsonst anbietet. Ganz im Gegenteil. Sie hatte sich ihren Lohn genommen, indem sie ihm
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