Gebissen
aufgespießten, kreischenden Kreatur träumte. Nicht jede Nacht, aber doch immer wieder.
»Sieht aus, als hätte es ins Auge gehen können.« Fasziniert streichelte sie weiter die Narbe, fuhr jede Linie mit den Fingernägeln nach.
»Ja.« Alex bewegte sich nicht und hielt den Arm ruhig. Er hatte Angst, sie würde sonst aufhören, und er genoss das Kribbeln unter der Haut. »Eigentlich wollte mir das Vieh an die Kehle, ich hab den Arm gerade noch rechtzeitig hochgerissen.«
»Gut.« Sie lächelte. »Sonst wärst du jetzt nicht hier.«
»Und das wäre eine Tragödie.« Alex grinste und küsste sie auf die Brust.
»Bereit für eine weitere Runde?« Ihre Augen blitzten.
»Bereit, wenn du es bist.« Er beschloss, sich einfach nicht zu wundern, dass er mehr Ausdauer als sonst besaß, ohne Koks, ohne Viagra. Sollte sein Körper für die nächsten Tage vollkommen ausgelaugt sein, das war morgen und egal.
5
Grausamer Mord in Pankow
Am Freitagnachmittag wurde in einer Pankower Wohngemeinschaft die grausam zugerichtete Leiche eines 28-jährigen Mannes gefunden. Vom Täter oder den Tätern fehlt jede Spur.
Maik K. (28) wird von seinen Nachbarn als »höflicher junger Mann« beschrieben.
»Er war freundlich, hat wir bei meinen Einkäufen geholfen, wenn die Tüten zu schwer waren«, erzählte die Rentnerin Bärbel V. (73). Von nun an muss sie ihre Tüten allein tragen, denn Maik K. wurde ermordet. Laut gerichtsmedizinischer Aussagen vermutlich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag.
»Wir waren drei Tage weg, und als wir wiederkamen, haben wir ihn im Bad gefunden«, berichten die Studenten Erwin S. (25) und Hagen F. (24). Ihre Augen sind verquollen, sie sind sichtlich schockiert, und Hagen F. beginnt zu schluchzen, zieht die Nase hoch und entschuldigt sich.
Ihr Freund Maik wurde nicht einfach ermordet. Der oder die Täter haben ihn gefesselt und kopfüber mit einem Fleischerhaken an die Duschstange über der Badewanne gehängt, ihm die Halsschlagader geöffnet und ihn vollkommen ausbluten lassen.
Weder in der Wanne noch auf Boden oder Wänden waren jedoch Blutflecken zu finden.
Das Motiv ist noch unklar. Ein Polizeisprecher sagte, es gäbe keine Hinweise auf Verbindungen des jungen Mannes zur Drogenszene oder zu anderen Kriminellen, ebenso wenig zu irgendwelchen Extremisten. Auch das familiäre Umfeld scheint weitestgehend intakt.
»Nein, eine feste Freundin hatte er nicht«, erzählt Erwin S., »nur manchmal einen One-Night-Stand oder etwas Kurzfristiges. Aber es stand nie eine keifende Frau vor der Tür und hat ihn beschimpft, wenn Sie das meinen. Auch kein gehörnter Ehemann.«
Von Eifersucht als Motiv geht auch die Polizei nicht aus, noch sucht sie nach Spuren und Hinweisen. Der Frage, ob es eine Verbindung zu den Satanisten von Schöneberg gäbe, weicht der Sprecher aus: »Beide Taten wirken in der Tat rituell, sind aber sehr unterschiedlich gelagert. Noch gehen wir von unterschiedlichen Tätern aus. Mehr kann ich Ihnen zum momentanen Zeitpunkt leider nicht sagen.
Wir werden aber alles nur Erdenkliche tun, um diesen Fall möglichst rasch aufzuklären.«
Selbst ihm sieht man an, dass dieser bestialische Mord keine Routine ist, nicht mal für einen erfahrenen Beamten.
Tagesspiegel,
Samstag, 16 . Mai 2009
6
Als Alex erwachte, war er allein. Langsam tauchte er aus rasch verblassenden Träumen von einem gierig krächzenden, toten Wesen im Schatten schwarzer Schalenbruchstücke und Sex an einem einsamen Strand auf, er wusste nur nicht mehr, mit wem. Sein Schlaf war tief und lang gewesen, doch er fühlte sich immer noch schlapp und ausgelaugt. Danielles Duft hing in der Luft und im Kissen, draußen beschimpften sich zwei Vögel, ihre Stimmen drangen leise durch das geschlossene Fenster. Helles Sonnenlicht drang durch die Ritzen zwischen den Jalousielamellen, und doch hatte Alex einen Moment lang das Gefühl, es wäre November, nass und kalt, und nur hier im warmen Bett die Welt in Ordnung. Nachwehen eines Traums.
Er sog Danielles Geruch nach Blumen und Gewitter ein und fühlte sich gut. Er lag ganz am Rand des Betts, in die dünne Decke gekuschelt, viel freier Platz auf der Matratze neben sich, auf dem nur ein zerknautschtes Kissen und eine Decke lagen, aber keine Danielle.
»Danielle?«, nuschelte er und strich mit der Hand über das Laken, wo sie vor Stunden eingeschlafen war. Obwohl ihr Duft noch immer in der Luft hing, war ihre Körperwärme nicht mehr zu spüren. Er fühlte nur
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