Gebissen
einen getrockneten daumengroßen Fleck, sicherlich Sperma.
Doch sie antwortete nicht, die Wohnung blieb still. Er hörte überhaupt keine Geräusche durch die halb offene Schlafzimmertür hereindringen.
»Danielle!«, rief er jetzt lauter. Die Angst, allein zu sein, wallte in ihm auf. Die freie Seite des Betts hatte noch nie so verlassen gewirkt wie jetzt. Dort, wo sie gestern eingeschlafen war, war nun nichts. Ein Nichts, das sich mit einem Schlag in ihn krallte und sich festbiss. »Danielle!«
Niemand antwortete.
Verschlafen, aber mit pochendem Herzen schlug er die Decke zurück, um sie zu suchen. Sie konnte doch nicht einfach gegangen sein, nicht nach dieser Nacht! Langsam stützte er sich auf die Arme, um aufzustehen. Da entdeckte er die Blutflecken auf der Decke und dem Laken, dunkel und eingetrocknet, die Ränder unscharf.
Sie waren nicht groß, kleiner als eine Zwei-Euro-Münze, und nur wenige, er zählte fünf, aber nun war er schlagartig wach.
Was war passiert?
Beim Einschlafen waren die Flecken noch nicht da gewesen, dessen war er sicher. Hatte er Danielle verletzt? Daran erinnerte er sich nicht. War sie etwa noch Jungfrau gewesen? Nein, sicher nicht, nicht sie.
»Danielle!«
Niemand antwortete. Er erhob sich, um nach ihr zu suchen, dabei fiel sein Blick auf seinen Unterarm. Die Narbe sah aus, als wäre sie frisch aufgebrochen, rostbrauner Schorf hatte sich auf ihr gebildet.
»Das kann doch nicht wahr sein«, murmelte er überrascht. Nicht nach so vielen Jahren. Das war ein dummer, alberner Zufall, eine neue Verletzung, er musste sich heute Nacht irgendwo aufgeschürft haben. Nicht wild, die Adern unter der alten Wunde pochten leicht, aber er fühlte keinen Schmerz.
Dann durchströmte ihn Erleichterung, es war sein Blut auf dem Laken, Danielle ging es gut, ihr war nichts passiert. Nur, wo steckte sie?
Hastig lief er in den Flur, warf einen Blick ins verlassene Wohnzimmer und eilte weiter in die Küche, klopfte dabei an die Badezimmertür. Keine Reaktion, keine Danielle, keine Spur von ihr. Weder hing ihre Jacke am Haken neben dem Flurspiegel, noch lag sie auf den Dielen, wo sie gestern gelandet war. Keine Stiefel waren zu sehen, kein Rock, nichts.
Auf dem Küchentisch stand eine unbenutzte Tasse, die einen beschriebenen Zettel beschwerte. Durch die geschlossene Jalousie drang genug Sonnenlicht herein, um ihn lesen zu können. Die Schrift bestand aus Großbuchstaben, die meisten Striche waren schnurgerade und stießen in exakten Winkeln aufeinander. Fast fühlte sich Alex an babylonische Keilschrift erinnert.
Lieber Alex,
es war wunderschön gestern, aber auch einmalig, und das nicht im übertragenen Sinn. Du wirst mich nie wiedersehen. Wie ich schon sagte: Ich bevorzuge die Abwechslung.
Hab ein schönes Leben -
Danielle
Ungläubig starrte er den Fetzen Papier an und stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. Sein Magen krampfte sich zusammen, er fühlte sich ausgelaugt und schwach. Dumpf nagte die Einsamkeit in ihm, er hatte das Gefühl, als wäre ein Teil von ihm herausgerissen worden. Nicht das Herz, das spürte er noch schmerzhaft in seiner Brust zucken. Aber all die Leichtigkeit, die er gestern kurz verspürt hatte, war verflogen.
Warum war sie gegangen?
Minutenlang verharrte er reglos, dann warf er mechanisch die Kaffeemaschine an und starrte an die Wasserflecken auf dem Küchentisch, auf die schwarze runde Fläche, wo er vor drei Jahren einen heißen Topf mit Nudeln ohne Untersetzer abgesetzt hatte, an dem Abend, als Veronika ihn verlassen hatte. Und jetzt war Danielle weg.
Rosa Lippenstift und Goldschmuck, er hätte es gleich wissen sollen! Die instinktive Abscheu war wieder da, kalte Wut füllte ihn aus. Er packte die Tasse und schleuderte sie in den Flur, wo sie neben dem Spiegel an der Wand zerbarst. Splitter fielen zu Boden und in die Schuhe, die dort standen. Er hoffte, dass wenigstens ein Teil des Bluts im Schlafzimmer von ihr stammte. Sein Instinkt hatte ihn gewarnt, und was hatten seine Triebe getan? Hatten nicht darauf gehört.
Und ihm so den besten One-Night-Stand seines Lebens verschafft. Ernsthaft hatte er doch nicht hoffen können, dass eine Frau wie sie länger bei ihm blieb. Sein Zorn war mit der Tasse zersplittert, er zuckte mit den Schultern und grinste zögerlich. Von allen sabbernden Männern im Gilgamesch war er es gewesen, mit dem sie nach Hause gegangen war. Ha! In gespielter Jubelpose ballte er die Faust - und doch fühlte er etwas Hohles in
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