Gebissen
irgendein Schlägertrupp war. Wenn der noch da ist, passiert dir auch was.«
»Aber ...«
»Ruf doch die Polizei, wenn du meinst. Wofür bezahlen wir denn Steuern?«
»Und was soll ich denen sagen? Ich weiß doch nicht, was geschehen ist.«
»Das sag ich doch die ganze Zeit. Wir wissen’s nicht. Also bleib hier, mischen wir uns nicht ein. Am Ende ist das noch Hausfriedensbruch, wenn du da jetzt reingehst, und er verklagt dich.«
Zwischen diese absurde Diskussion mischte sich ein Schluchzen, leise und unterdrückt. Alex öffnete die Augen.
Er lag schräg über dem zusammengebrochenen Sofa, der Bezug war aufgerissen, Stofffetzen und Schaumgummistückchen lagen herum, hatten sich in Danielles Haar verfangen, die mit rasselndem Atem neben ihm lag. Sie trug nur noch die Stiefel und das zerrissene Top, das Blut auf ihrer Schulter war getrocknet. Sie war es nicht, die schluchzte.
Lisa!
Verdammt.
Benommen richtete sich Alex auf, auch das restliche Wohnzimmer sah verwüstet aus, der Tisch hatte drei seiner kurzen Beine verloren, sie waren quer durch den Raum verstreut. Die Scheiben des alten Bücherschranks waren gesplittert, das CD-Regal von der Wand gerissen, Hüllen und Silberlinge lagen überall auf dem Boden verteilt, einige waren zerbrochen.
Was hatten sie getan?
Er sah zur Tür hinaus, dorthin, woher das Schluchzen kam, und entdeckte Lisa im Schlafzimmer gegenüber. Sie kauerte nackt kurz hinter der Türschwelle, hatte die Arme um die Knie geschlungen und wippte vor und zurück. Ununterbrochen liefen ihr Tränen aus den Augen.
Verquollene Augen, die aufgerissen waren, irrlichternd hin und her zitterten, aber immer wieder Alex fixierten, verängstigt und fassungslos.
»Lisa«, flüsterte Alex und rappelte sich auf.
Sie wippte mit dem Oberkörper vor und zurück.
»Lisa. Es ....... tut mir leid? Das brachte er nicht über die Lippen. Was hatte er getan? Er begriff es selbst nicht, wollte nur noch Lisa in den Arm nehmen, sie trösten und sich entschuldigen, wieder und wieder ... Langsam ging er auf sie zu, streckte die Hand aus, berührte sie an der Schulter. »Ich ...«
»Fass mich nicht an!« Sie schüttelte seine Berührung ab, Ekel und Wut im Blick.
»Ich ... Es ...«
»Nein! Fass mich nicht an! Nie wieder!« Sie warf sich herum und krabbelte hektisch hinüber zum Bett, raffte ihre Klamotten zusammen und kämpfte sich auf die Beine. Sie schwankte.
»Hör mir doch zu, ich ...«
»Lass mich in Ruhe!«, kreischte sie und fand ihr Gleichgewicht wieder.
Ausgelaugt, verwirrt und erschöpft stand Alex vor der Schlafzimmertür. Er wollte sie zurückhalten, aber er wusste nicht, wie. Noch immer schluchzend stürzte Lisa an ihm vorbei, streifte ihn mit einem Blick, in dem mehr Angst als Wut lag, mehr Verwirrung als Traurigkeit, und doch alles zusammen.
Kraftlos hob er den Arm, um sie festzuhalten, doch er packte nicht zu, er konnte nicht. Zu sehr schämte er sich für das, was er getan hatte. Was auch immer ihn überkommen hatte, er konnte es nicht sagen, nicht erklären und schon gar nicht rechtfertigen.
»Es tut mir leid«, murmelte er viel zu leise und sah ihr hinterher, wie sie nackt und barfuß aus der Wohnung eilte. Sie bückte sich nur kurz, um sich die Schuhe zu krallen, blieb aber nicht, um sie anzuziehen. Erst draußen im Treppenhaus hielt sie an und schlüpfte in Rock und T-Shirt. Es war linksrum und seines, sie musste in der Hektik danebengegriffen haben.
Die Nachbarn waren nicht mehr zu sehen. Vielleicht standen sie am Türspion und glotzten. Lisa drehte sich noch einmal um, starrte Alex wütend und fassungslos an und warf die Tür ins Schloss.
Alex schlurfte ins Schlafzimmer, hob ihr Top auf, hielt es vor sein Gesicht und sog ganz langsam ihren Duft ein. Dann legte er es zärtlich aufs Bett und ging zu Danielle hinüber.
»Was hast du hier verloren?«
Ihr Lippenstift war verschmiert, die Haare zerzaust, doch sie hatte weniger Kratzer, als die Verwüstung des Zimmers vermuten ließ.
»Was hat dich gebissen?«, fragte sie. »Das war kein Hund, auch kein tollwütiger.«
Erst jetzt merkte er, dass seine Narbe wild pochte. Doch sie war nicht wieder aufgeplatzt. »Das ist doch völlig egal, was für ein Tier das war!«
»Wenn es ein Tier war.«
»Was soll es sonst gewesen sein?«
»Das musst schon du wissen, es ist deine Vergangenheit, nicht meine.«
»Wenn es nicht deine ist, was geht sie dich dann an?« Er hustete. Es stach und kratzte in seiner Lunge, und er spürte einen dicken
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