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Gebissen

Gebissen

Titel: Gebissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Koch
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Batzen Speichel in seinen Rachen hochkommen. Sonst schluckte er so etwas hinunter, aber diesmal wollte er nicht; sein ganzer Körper schüttelte sich beim Gedanken daran.
    Mann, es kommt aus dir selbst, was macht das schon?, dachte Alex, aber dann lief er ins Bad hinüber und spuckte ins Waschbecken. Der zähflüssige gelbliche Schleim war von schwarzen Schlieren durchzogen. Wie getrocknetes Blut sah es nicht aus.
    Der Geschmack von kalter Asche breitete sich in seinem Mund aus, während er seinen ekligen gelb-schwarzen Speichel anstarrte, der an der Keramik klebte, zu zähflüssig, um die Schräge zum Abfluss hinabzurutschen. Ein neuerlicher Hustenanfall schüttelte ihn, und weiterer schwarzer Speichel landete im Waschbecken. Er schüttelte sich. Gut, dass er das nicht wieder runtergeschluckt hatte. Das musste raus, einfach nur raus aus ihm.
    Er hustete wie wild, zwang sich dazu und spuckte und spuckte. Er rauchte doch gar nicht so viel. Koma hatte früher bis zu sechzig Selbstgedrehte am Tag weggeraucht, und er hatte nie von schwarzer Spucke erzählt. Alex hatte das nicht einmal in Berichten über Lungenkrebs gehört. Doch das konnte er auch vergessen haben, er hatte immer gedacht, das würde ihn nicht betreffen.
    Hoffentlich ist das kein Krebs, dachte er und hustete weiter, keuchte und zog so viel Speichel hoch, wie er konnte. Vielleicht kam das schwarze Zeug ja auch gar nicht aus der Lunge? Der Geschmack von Asche brachte ihm die Erinnerungen an die brennende Scheune zurück, an die Kreatur, die in ihr verbrannt war.
    Als er nicht mehr konnte, der Hals rau war und schmerzte, setzte er sich auf den geschlossenen Klodeckel und atmete heftig. Danielle stand im Türrahmen und beobachtete ihn. Sie sah nicht sonderlich besorgt aus und trug noch immer nicht mehr als ihre Stiefel und das zerrissene Top. Sie war einfach unglaublich schön. Schöner noch als alle mit Botox und Photoshop behandelten Stars, die einen von tausend Plakaten und Magazincovern anschauten.
    »Warum bist du hier?«, fragte er. »Du hast geschrieben, wir sehen uns nie wieder.«
    »Du weißt das wirklich nicht?«
    »Nein. Woher sollte ich?«
    »Weil... jemand wie du und ...« Plötzlich zögerte sie, schloss kurz die Augen und fuhr dann fort. »Du weißt wirklich nicht, wer du bist? Auch nicht, was ich bin?«
    »Ich weiß, wer ich bin, zumindest so gut oder schlecht wie jeder Mensch. Aber woher soll ich wissen, was du bist? Ich kenn’ dich nicht, und du hast nie erzählt, was du so machst.«
    »Du hast wirklich keine Ahnung.« Sie lächelte irritiert.
    »Hey! Dann klär mich doch auf, wenn du den großen Durchblick hast.«
    »Sag mir, was dich wirklich gebissen hat!« Sie kam zu ihm herüber, setzte sich auf den Badewannenrand. Sie meinte es wirklich ernst, als hätte ein über zwanzig Jahre alter Biss irgendeine Bedeutung. Die Frau war wirklich überirdisch schön, aber völlig bekloppt.
    Alex betrachtete seine Narbe, die sich tiefrot von seiner Haut abhob, röter als sonst, und weiterhin pochte. Er hatte sich längst daran gewöhnt, dass sie sich bei einem Wetterumschwung meldete, aber in letzter Zeit hatte er sie oft gespürt. Natürlich, sie war ja erst vor wenigen Tagen erneut aufgebrochen, zumindest irgendwie. Nach fast dreiundzwanzig Jahren. Da durfte sie auch empfindlicher sein als sonst.
    Er zuckte mit den Schultern und erzählte Danielle vom Sommer 1986, von der bizarren Kreatur in der abgelegenen Scheune, ihrem kindlichen Verdacht, ein durch Tschernobyl mutiertes Wesen vor der Nase zu haben, von dem Biss und auch dem Ende des Viehs im Feuer. Er ließ sich Zeit, versuchte sich an Details zu erinnern, an die Einzelheiten einer Geschichte, die er noch nie erzählt hatte, Simones Angst vor ihrem Bruder Kalle, die schmutzige Farbe der ungeschliffenen Saukiste, die schwere Luft unter dem von der heißen Sonne aufgeheizten Dach, den Geruch nach frischem Heu, die Angst, die Kalle in ihnen allen ausgelöst hatte, und auch die Angst davor, die Brandstiftung irgendwem gegenüber zuzugeben. Er erzählte von der brennenden Scheune und schmeckte Spuren von Asche und Rauch.
    Danielle wartete geduldig, bis er fertig war, dann sagte sie: »Und du bist sicher, dass diese Kreatur so klein war?«
    »Klein? Sie war so groß wie ein Schäferhund.«
    Sie lächelte über seinen Protest. »Es war ein kleines Dorf, in dem du aufgewachsen bist, oder?«
    »Ja. Vielleicht 2500 Einwohner.«
    »So groß?«
    »Hey, wir haben echt unterschiedliche Vorstellungen von

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