Gebissen
geht, ist alles klar. Die sind unaufsteigbar.«
»Erst mal Sechzehnter werden.« Der Getröstete zog geräuschvoll Rotz hoch und nahm einen tiefen Zug von seinem Weizen. »Die wollen uns doch gar nicht in der Liga haben. Wenn uns die Scheißschiris nicht dauernd verpfiffen hätten, wären wir schon längst gerettet.«
Alex hielt das Gesicht möglichst gesenkt und von der Theke abgewandt, höchstens der Wirt achtete in dem Gewühl auf Neuankömmlinge. Er hatte zwar weder vor, ein Attentat auf Merkel zu verüben, noch irgendeine Bank auszurauben, aber es war besser, wenn sich niemand an ihn erinnerte. Wahrscheinlich war das übertrieben, aber er war einfach nervös, er tat so was nicht täglich und hatte Angst um Lisa.
Mit eingezogenem Kopf stahl er sich auf die Toilette, drei Männer standen vor den Pissoirs und debattierten über nicht gegebene Elfmeter, eine der beiden Kabinen war besetzt, jedoch nirgends ein Fenster zu sehen. Das half ihm nicht weiter.
Er trat den Rückzug an und huschte in die Damentoilette. Wie bei der überwiegend männlichen Kundschaft vorne zu erwarten gewesen war, war sie verlassen. Oder fast, eine der Kabinen war verschlossen, irgendwer zog dort geräuschvoll Papier von der Rolle. Hinter den Kabinen entdeckte er, was er gesucht hatte: ein Fenster zum Innenhof. Wenn er sich beeilte, würde er es schaffen, bevor sie da rauskam.
Mit wenigen schnellen Schritten war er am Fenster und warf einen kurzen Blick hinaus. Niemand war zu sehen; etliche Fahrräder standen kreuz und quer im Innenhof und eine kleine Laube aus dunkel gebeiztem Holz für die Mülltonnen an der gegenüberliegenden Wand. Hinter ihm wurde die Spülung betätigt, er hörte, wie jemand seufzend die Hose hochzog. Alex zerrte sich den Ärmel über die Hand, bevor er den Griff packte und das Fenster aufriss. Er sprang hinaus und eilte davon, hörte nur noch, wie die Kabinentür aufgeschlossen wurde, dann tauchte er in den Eingang des Hinterhauses.
Von den braun lackierten Briefkästen im schmalen Flur splitterte bereits die Farbe ab, die Treppe war ausgetreten, aber frisch geputzt. Ohne Licht zu machen, schlich er leise hinauf. Hinter den meisten Türen war Ruhe, nur im Erdgeschoss stritt ein Paar lautstark, irgendwas ging zu Bruch. In der Wohnung darüber lief der Fernseher und im obersten Stock Musik, Turbo Lover von Judas Priest. Das war gut, mit Glück übertönte es alle kommenden Geräusche. Alex ging weiter bis zum Dach.
Wie er gehofft hatte, war die Tür dort nicht besonders massiv - allerdings abgeschlossen. Jetzt konnte er testen, wie stark er wirklich war. Wieder zog er die Ärmel über die Hände, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, so viele Krimis hatte er dann doch gelesen. Er lehnte sich gegen die Tür und übte ganz langsam immer mehr Druck aus. Das Holz knirschte, und er presste seinen Körper gegen die Türplatte, um möglichst jedes Geräusch zu dämpfen. Schließlich barst das Schloss. Reaktionsschnell hielt er die aufschwingende Tür fest, bevor sie gegen die Wand schlagen konnte.
Unten dudelte die Musik weiter.
Gut. Aus den anderen Wohnungen war immer noch nichts zu hören. Sehr gut.
Behutsam schob er die Tür hinter sich wieder zu, beinahe sah es abgeschlossen aus. Vielleicht kam in den nächsten Tagen ja niemand hier herauf, und wenn er nichts von der Wäscheleine stahl, würde es wohl keine großen Untersuchungen geben. Die Polizei hatte Besseres zu tun, gerade im Augenblick, sie würde die aufgebrochene Tür einem Junkie in die Schuhe schieben, der sich in Ruhe einen Schuss hatte setzen wollen.
Rechts von ihm erstreckte sich eine Reihe gezimmerter Boxen aus ungeschliffenen Dachlatten, in denen alte Möbel, Gesellschaftsspiele, Schlauchboote, Schlittschuhe, Stofftiere, Matratzen und anderes ausgelagert waren. Links von ihm öffnete sich ein großer Speicherraum mit unverputzten Wänden, durch den quer eine Wäscheleine neben der anderen gespannt war, und zwischen diesen fanden sich auch vier Dachfenster. Leise öffnete er das nächstgelegene und zog sich mit einem Klimmzug hinaus.
Es war unglaublich, wie leicht das ging. Auch wenn diese unmenschliche Stärke erst jetzt ausgebrochen war, ging er mit ihr um, als wäre er längst mit ihr vertraut. Es war noch immer sein Körper, er war ihm durch die Veränderung nicht fremd geworden. Es waren seine Muskeln, die sich spannten, sein Blut, das trotz der Anstrengung erstaunlich ruhig durch seine Adern floss, seine Haut, durch die er die
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