Gebissen
Durch die raue Glasscheibe in der Eingangstür sah er schon einen massigen undeutlichen Schemen, der auf ihn wartete. Nur einer, zum Glück.
»Eine Sau kriege ich«, knurrte Alex, er musste nur schneller sein als sie. Er riss die Tür auf, warf sich gegen die wartende Gestalt, stieß sie einfach zur Seite und gab Stoff. Das war leichter gewesen als gedacht, viel zu leicht. Im Weiterrennen drehte er sich um und stellte fest, dass er keinen Vampir umgeworfen hatte, sondern einen jungen Mann, der sich langsam und schimpfend wieder aufrappelte. »Blöder Wichser!«
Ihm blieb keine Zeit, dem Kerl aufzuhelfen oder sich zu entschuldigen. Ein Stück hinter sich hörte er Schritte über den Beton trampeln und einen triumphierenden Schrei: »Hier! Hier ist er!«
Ohne sich umzudrehen, rannte er weiter. Weiter, weiter und weiter. Die Schritte kamen langsam näher, und es wurden mehr, mindestens zwei Vampire waren ihm auf den Fersen, vielleicht drei. Warum nur hatte er nicht auf Danielle gehört?
Wieder schwappte eine Welle der Müdigkeit über ihn hinweg, doch schwächer diesmal, und er zwang sich, die Augen offen zu halten. Trotzdem kam er kurz aus dem Tritt, weil ihm die Beine schwer wurden und tapsig. Diese Müdigkeit war doch nicht normal! Wie ein Anfall kam sie über ihn, und wenn das noch mal passierte, würden sie ihn einholen.
Voller Angst rannte er weiter. Wenn sie ihn erwischten, würden sie ihn töten, da war sich Alex sicher.
Zwei entgegenkommende Frauen starrten ihn entgeistert an und wichen zur Seite. Kein Wunder, seine Kleidung war zerrissen und das Gesicht noch immer voll getrocknetem Blut.
Die Verfolger kamen stetig näher, sie waren schneller, er würde ihnen nicht entkommen können.
Und jetzt schlenderte vor ihm auch noch ein Paar mit Rad und Pfund durch die lauschige Nacht. Der Mann schob das Rad lässig mit der linken Hand und hielt mit der Rechten die der Frau, die mit ihrer Rechten wiederum den Hund an der Leine führte. Nebeneinander füllten sie fast den gesamten Fußweg aus, die parkenden Autos verhinderten einen schnellen Wechsel auf die Fahrbahn.
Rechts oder links vorbei?, überlegte Alex. Egal, renn’ einfach durch, das werden die schon überleben, aber du überlebst es nicht, wenn sie dich kriegen. Dabei waren sie sowieso schneller, sie würden ihn auf jeden Fall erwischen, wenn ihm nicht bald etwas einfiel.
Links, dachte er, stieß ein verzweifeltes Lachen aus und riss dem Mann das Rad aus der Hand, schob es weiter und sprang auf.
»Hey!«, rief der verdatterte Mann, die Frau kreischte, der Hund kläffte.
Alex reagierte nicht, er trat einfach in die Pedale, trat um sein Leben. Es war ein gutes Rad, ein gepflegtes Rennrad, das nannte er Glück. So ein stylisches, alternatives Omarad ohne Gangschaltung hätte ihm jetzt gerade noch gefehlt! Trotzdem, auf den ersten Metern konnten sie ihn einholen. Er biss die Zähne zusammen und gab alles. Wenn er erst mal beschleunigt hatte, hatte er gewonnen, und es sah gut aus. Lachend schaltete er einen Gang hoch.
Hinter sich hörte er Leute zu Boden stürzen, irgendwer wurde gegen eine Wand geklatscht, die Frau und der Mann keuchten und schrien vor Schmerz, das Kläffen des Hundes wurde hysterisch.
»Wir kriegen dich!«, hörte er die Stimme des Spinners, doch die gezischten Worte verloren sich im Wind, sie trafen Alex nicht. Auch der Pflasterstein nicht, der an ihm vorbeiflog und in die Scheibe eines parkenden Autos platzte. Unwillkürlich zog er den Kopf ein, strampelte dabei jedoch weiter. Mit Karacho legte er sich in die nächste Kurve, bog in eine größere Straße ein und gab Gas. Kurz schielte er über die Schulter zurück. Drei Vampire standen an der Kreuzung und starrten ihm hinterher, sie hatten nichts in der Hand, das sie schmeißen konnten. Er hob den Mittelfinger und stieß ihn triumphierend in die Luft. Dabei überlegte er, wie er von hier am schnellsten zu Danielle zurückkäme.
25
Ängstlich blickte sich Lisa immer wieder um, während sie zur Schönhauser Allee lief, wo sie sich mit Sandy treffen sollte.
»Alex ist total durchgedreht, der will es dir richtig besorgen, um sich so bei dir zu entschuldigen«, hatte Sandy ihr atemlos am Handy erzählt. »Er hat gemeint, ein richtiger Fick bringt dich schon wieder zur Vernunft, so schlimm ist das schließlich nicht gewesen, was er getan hat. Das passiert schon mal, wenn man jung ist. Wenn du dich nicht so angestellt hättest, hättest du auch deinen Spaß haben können, hat er gesagt
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