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Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)

Titel: Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Gruberová , Helmut Zeller
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in Birkenau im November und Dezember 1944 die letzten Krematorien zur Sprengung vorbereitet und die Gaskammern demontiert. «Wir bringen dich nach Kaufering», erklärt der Soldat. «Das ist ein Straflager für Juden.»

Kaufering I, Dezember 1944
    S ofort nach der Ankunft verlassen die zwei Soldaten mit Miriam den kleinen Bahnhof und machen sich zum Lager Kaufering I auf, das nordwestlich von Landsberg liegt. Ein wolkenverhangener Himmel wölbt sich über den Weg, der aus der Kleinstadt in verschneite Äcker und Wälder hinausführt. Die drei Menschen gehen schweigsam durch die stille bayerische Winterlandschaft. Miriam hat kein Auge dafür. Sie friert in ihrem dünnen Kleid. Die beißende Kälte kriecht ihren Körper hoch. Aber sie sagt kein Wort zu den Wächtern und stapft schwer atmend mit ihrem großen Bauch durch den Schnee. Sie weiß nicht, was sie in dem neuen Lager erwarten wird, der Gaskammer in Auschwitz ist sie entkommen. Aber ist es wahr? Werde ich nicht getötet? Die Zweige hoher Tannen biegen sich unter der Schneelast. Sie weiß nicht, wie lange sie schon gehen, vielleicht eine halbe Stunde oder noch länger. Es kommt ihr jedenfalls wie eine Ewigkeit vor. Sie hat kein Gefühl mehr in ihren Füßen. Ihre Augen tränen, Wangen und Lippen sind taub geworden, die Ohren schmerzen, und dann, endlich, erreichen sie ein Tor. Miriam erschrickt. Es ist wie in Auschwitz. Baracken, Stacheldrahtzäune, Scheinwerfer und Wachtürme. Sie sieht Häftlinge in schmutzigen gestreiften Uniformen oder in Fetzen von Zivilkleidung, SS-Wachen und Schäferhunde. Die Soldaten halten sich nicht lange auf, übergeben Miriam, die sofort angebrüllt wird: «Deine Nummer?» Der Mann unterschreibt ein Stück Papier und reicht es den anderen, die weggehen, ohne einen Blick auf sie zu werfen. «Ich bin wie ein Paket geliefert worden.»
    Eine Frau, Miriam achtet in ihrer Erschöpfung nicht darauf, wer sie ist, bringt sie zu einer niedrigen, in den Boden versenkten Hütte. Was machen sie mit mir? Als sie durch die Tür geschubst wird, hat sie nur einen Gedanken: Das ist das Ende. «Ich war wie gelähmt vor Angst.» Mehrere Stufen führen in den finsteren Keller hinab, vorsichtig tastet Miriam sich mit einem Fuß nach unten. Dann steht sie auf festem Grund und schaut umher. Es riecht modrig und feucht. Sie sieht Schatten, die Umrisse menschlicher Gestalten. Als sich ihre Augen an das trübe Licht einer Glühbirne, die von der Decke baumelt, gewöhnt haben, erkennt sie, dass es Frauen sind. Sie kommen auf Miriam zu und starren sie an. Im ersten Moment kann sie es nicht glauben, bringt vor Überraschung kein Wort heraus. Dann schüttelt ein Weinkrampf ihren Körper. «Oh mein Gott, was ich dort gesehen habe! Ich bin fast hysterisch geworden. Es haben sechs Frauen um mich herum gestanden, und alle haben große Bäuche gehabt. Wir waren alle schwanger!» Was macht ihr hier, fragt Miriam und kann sich nicht beruhigen. Und dann schreien alle, sprechen durcheinander. «Wer bist du? Woher kommst du? Was ist mit dir passiert?» «Ja, ja, wir sind auch aus Ungarn.» Miriam ist sehr erleichtert, als sie wieder den vertrauten Klang ihrer Muttersprache hört. «Wir haben uns umarmt und geküsst, wir hatten niemanden außer uns gehabt und fühlten uns plötzlich wie Schwestern.» Alle sieben Frauen weinen. Inzwischen ist es Nacht geworden, aber sie sind so aufgewühlt, dass jede noch ihre Geschichte erzählen muss. Die SS hat sie erst vor zwei, drei Tagen hierhergebracht, jede einzeln. Miriam war die Letzte, einen Tag vor ihr kam Eva. «Ich war so froh, als ich die anderen sah. Wir waren zwar Fremde, aber ich war jetzt nicht mehr allein.» Auch sie berichtet von ihrem Weg bis nach Kaufering und erfährt zu ihrer großen Überraschung, dass Miriam wie sie unter den fünfhundert Frauen in Augsburg war. Warum hat man sie aber hierhergebracht? Gibt es vielleicht doch eine Chance, dass sie und ihre Kinder überleben werden? Sie sprechen sich Mut zu. Miriam berichtet, was sie von den zwei Soldaten am Bahnhof hörte. Auschwitz sei bombardiert worden, man wird sie nicht mehr dort hinschicken können. Magda aus Nyíregyháza nickt mit dem Kopf. Eine SS-Aufseherin im Lager, in dem sie vorher war, hatte ihr auch gesagt, dass die Schwangeren nicht mehr ins Gas kämen. Aber stimmt das? Magda selbst zweifelt daran. Nach all dem, was die Frauen erlebten, kann keine mehr ihren Peinigern glauben. Miriam blickt in die Gesichter ihrer neuen Freundinnen. Sie weiß

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