Geboren im KZ: Sieben Mütter, sieben Kinder und das Wunder von Kaufering I (German Edition)
nicht verbergen. «Ich kann das Herz des Kindes kaum hören», entfährt es ihm. «Was soll ich mit dir machen, ich kann es nicht allein. Presse, versuche es, presse!» Doch Miriam kann nicht mehr. «Ich bin zu schwach», sagt sie immer wieder zu Doktor Vadász. Auch er ist erschöpft, sein Gesicht fahl, aber er gibt nicht auf. Als er merkt, dass Miriams Blick entgleitet, legt er sich auf sie und versucht, das Baby mit seinen Händen aus ihrem Bauch herauszupressen. «Mirikem, halte durch», redet Bözsi ständig auf ihre Freundin ein. «Es kommt», ruft plötzlich Vadász, «noch einmal pressen, jetzt!» Einen kurzen Moment später hält er das Baby in die Höhe. Es ist ein Junge. «Er war wunderschön, mit großen blauen Augen.»
Es vergehen nur einige Stunden, und in die Baracke kommen SS-Offiziere. Sie wollen wissen, ob das letzte Kind schon geboren worden ist. Als sie László erblicken, seine blauen Augen und sein blondes Haar, ruft einer: «Schaut hin, das ist doch ein arisches Kind! Ist dein Mann etwa bei der SS?» Miriam, die ganz schwach ist, antwortet mit leiser Stimme: «Mein Mann ist Jude, kein SS-Mann.» Die Männer machen noch Witze über Miriam und ihr Baby, dann gehen sie. Am Abend vollzieht David sein liebstes Ritual. Als er mit László zurückkommt, hat er ein breites Grinsen im Gesicht. «Dein Baby wiegt fast zehn Pfund», sagt er zu Miriam. «Er war richtig dick, ich weiß bis heute nicht, wovon. Ich werde nie in meinem Leben Ernö Vadász vergessen, was er für mich und uns alle getan hat.»
Nach etwa einer Woche bekommt Miriam hohes Fieber. «Erst später erzählten mir die anderen, was passiert war. Ich verlor das Bewusstsein. Zwei Männer kamen und wollten mich wegbringen. Luba, die auch da war, sagte zu ihnen, ob sie nicht sähen, dass ich im Sterben liege, sie sollten mich zum Krankenrevier tragen.» Die Männer heben die Pritsche, auf der Miriam liegt, hoch und tragen sie hinaus. Auf einmal beginnt Miriam zu bluten, erst jetzt löst sich die Nachgeburt aus ihrem Körper. «Ich war fast verblutet, hat mir später Doktor Vadász erzählt. Jeder dachte, dass ich sterben werde, dass ich keine Chance mehr habe.» Um die akute Blutung zu stoppen, bringt Vadász die Pritsche in eine Schräglage. Die Beine der bewusstlosen Miriam sind jetzt oben, der Kopf unten. Ohne Gummihandschuhe, Sterilisierungsmittel, Bluttransfusion oder Medikamente kämpft er um ihr Leben. Vadász schabt mit bloßen Händen die Reste der Plazenta heraus. Aber noch ist Miriam in Lebensgefahr. «Sie wird vielleicht sterben», sagt er am Abend den besorgten Frauen. Das kann doch nicht sein, jetzt, wo wir fast alles überstanden haben, klagen sie laut. Doch der Häftlingsarzt täuscht sich diesmal. Nach zwei, drei Wochen erholt sich Miriam wieder. Wo ist mein Baby, fragt sie als Erstes, nachdem sie wieder zu sich gekommen ist. «Mein Sohn war die ganze Zeit bei Bözsi. Sie hatte so viel Milch, dass sie neben ihrem Kind noch ihn stillen konnte. Es war einfach eines dieser Wunder Gottes, die damals passiert sind. Sie war für uns alle wie eine Mutter, sie wollte sogar László adoptieren, falls ich gestorben wäre.»
Während Miriam noch im Krankenrevier liegt, kommt ein SS-Offizier in die Baracke herein. Will er ihnen jetzt die Kinder wegnehmen? Eva drückt ihre Tochter mit ganzer Kraft an ihre Brust. Sie merkt aber gleich, dass den Deutschen etwas anderes interessiert. «Wo habt ihr diesen Ofen her?», brüllt er und tritt ihn mit den Füßen zur Tür hinaus. Die Frauen weichen erschocken zurück. Eva will vor seinem hasserfüllten Blick davonlaufen, aber sie verharrt regungslos auf der Stelle. Der SS-Mann will wissen, wer ihnen den Ofen gebracht hat. Die Frauen zögern, aber die Furcht ist stärker. «Entweder ihr sagt es mir, oder ihr werdet zusammen mit euren Kindern erschossen.» Was sollen sie jetzt machen? «Luba war es», flüstern sie. Es dauert nur wenige Minuten, schon wird die Blockälteste geholt. Vor den Augen der Frauen schlägt der SS-Mann auf Luba ein, immer wieder zielt er auf ihren Kopf, bis ihr das Blut über das Gesicht läuft. Dann hört er abrupt auf und geht weg. Bewegungslos steht Luba da, gibt keinen Laut von sich. «Luba, verzeihe uns, wir mussten es tun», bitten die Frauen die Blockälteste um Entschuldigung. Luba schüttelt nur mit dem Kopf: «Ihr seht, ich lebe ja noch. Das ist nicht das erste Mal, an Schläge bin ich gewöhnt. Das ist nur Blut», sagt sie, wischt sich das Gesicht ab und lässt
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