Geboren in der Hölle
steht unter Schock. Man wollte sie sogar ins Krankenhaus bringen. Der Arzt hat ihr dann ein starkes Beruhigungsmittel gegeben. Meine Frau ist nicht ansprechbar.«
»Dann unterhalten wir uns weiter.«
»Ich will und kann Ihnen nicht viel sagen, Mr. Sinclair. Meine Tochter war dem Gesetz nach erwachsen. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen, und sie brauchte uns nicht mehr.«
»Das kann ich verstehen, aber hat sie Ihnen wirklich nichts gesagt, Mr. Shayne?«
»Nein.«
»Sie haben auch keine Veränderungen in der letzten Zeit bei ihr feststellen können?« Ich ärgerte mich selbst über diese Standardfrage, aber sie mußte nun einmal gestellt werden, denn sie gehörte zum Repertoire eines ermittelnden Polizisten.
Der Mann schwieg.
Mir kam das seltsam vor. Ich erkundigte mich, ob er noch in der Leitung war, und hörte seinen schweren Atemzug. Erst dann rückte er mit der Sprache heraus. »Dieser Tanner hat mich das auch schon gefragt«, gab er zu. »Ich konnte ihm darauf nichts sagen, denn es war alles noch zu frisch. Außerdem war ich geschockt. Aber ich habe darüber nachdenken können.«
»Sehr gut.«
»Bitte, ich weiß nicht, ob es gut ist. Doch Sie haben recht. Sandy hatte sich in den letzten Wochen leicht verändert gezeigt. Sie war nicht mehr so wie sonst. Es wurde immer schlimmer. Sie hat sich eine Welt aufgebaut, in die hinein sie sich verkroch.«
»Wie verhielt sie sich denn?«
»Sie sprach wenig. Wenn mir mal nachhakten, dann redete sie von etwas völlig anderem.«
»Zum Beispiel?«
Mr. Shayne quälte sich. »Der Neue Weg.«
»Bitte?«
»Ja, ja, Sie haben richtig gehört. Ein feststehender Begriff. Der Neue Weg.«
Mir war er unbekannt. Ich wußte nicht, was ich damit anfangen sollte. »Wissen Sie vielleicht, was dahintersteckt?«
»Nicht genau. Ich gehe einfach davon aus, daß es irgendeine Gruppe ist, die sich dahinter versteckt.«
»Eine Sekte?«
»Ja, das kann auch sein. Eine Sekte oder eine Gruppe. Weiß der Teufel, wie man damit zurechtkommen soll. Aber so ähnlich muß es gewesen sein.«
»Wie hat sich Ihre Tochter verhalten? Ging sie zu irgendwelchen Treffen?«
»Das ist möglich. Sie war öfter weg. Ich habe den Begriff auch nur einige Male gehört. Der Neue Weg war für sie ungemein wichtig. Einmal hat sie gesagt, daß sie kurz davor steht, ihn zu beschreiten. Aber mehr weiß ich nicht, Mr. Sinclair. Meine Tochter hat sich nicht in die Karten schauen lassen.«
Ich hatte die Verzweiflung aus seiner Stimme herausgehört. Mir war klar, daß er nicht viel wußte, aber ich wollte herausfinden, ob ihm nicht doch noch Einzelheiten bekannt waren. »Gab es irgendwelche Treffpunkte, über die Ihre Tochter mit Ihnen gesprochen hat? Ich meine, Sekten haben Unterkünfte, Homes, wie auch immer. Man kommt da nicht einfach auf der Straße zusammen und…«
»Ja, das weiß ich, Mr. Sinclair. So sehr wir es auch drehen und wenden, ich weiß nicht, wohin sie am Abend ging.«
»Fielen Namen?«
»Kaum.«
Ich ließ nicht locker. »Das ist immerhin etwas. War Ihre Tochter vielleicht mit einem bestimmten jungen Mann intensiver befreundet? Hat er sie mal besucht? Kam er zu Ihnen ins Haus?«
»Nie.«
»Sie hat auch wirklich nie einen Namen genannt?«
Er überlegte. Wieder hörte ich ihn einen Moment nur atmen. »Manchmal hat sie von einem Cord gesprochen. Es ist ihr dann so herausgerutscht, wenn wir Streit hatten.«
»Das ist immerhin etwas. Über was haben Sie sich gestritten?«
»Eben über die Veränderungen, die mit ihr vorgingen. Sie war längst nicht mehr so frei und locker wie sonst. Dieser verdammte Cord muß einen großen Einfluß auf sie ausgeübt haben.«
»Sehr gut, Mr. Shayne. Ist Ihnen auch der Nachname dieses jungen Mannes bekannt?«
»Er heißt Cluny.«
Der Triumph malte sich nur auf meinem Gesicht ab, die Stimme blieb dabei normal. »Die Spur ist heiß, denke ich. Wissen Sie noch mehr über diesen jungen Mann?«
»Nein, aber ich weiß, daß seine Eltern ein Bestattungsunternehmen führen. Auf einem Elternsprechtag in der Schule habe ich die Clunys kennengelemt. Wir gingen anschließend noch zusammen weg. Da erfuhr ich von diesem etwas ungewöhnlichen Beruf.«
»Das ist schon sehr gut, Mr. Shayne. Ich denke, daß Sie mir damit geholfen haben.«
»Hoffentlich.«
»Und mit Cord war Ihre Tochter befreundet?«
»Zuletzt schon.«
»Dann könnte es sein, daß der junge Mann auch zu der Gruppe gehört, die sich der Neue Weg nennt?«
»Das hat Sandy nie zugegeben. Ich will es aber
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