Geborgen in den Armen des Scheichs
haben, hat mich also nicht verschmäht, sondern sich nur vorsichtig verhalten, dachte Lydia. Vor Erleichterung wurde sie übermütig. „Das war eine großartige Improvisation auf Mrs. Latimers Französischstunden in der sechsten Klasse.“
„Mrs. Latimer?“ Rose hatte doch nie eine Schule besucht.
Lydia erstarrte.
„Eine meiner Privatlehrerinnen“, stotterte sie, als Kal irritiert die Stirn runzelte.
Sie sehnte sich nach Ehrlichkeit und hätte ihm gern alles erzählt. Von ihrer tapferen Mutter, die bei einem Autounfall auf einer vereisten Straße ihren Mann und ihre Beweglichkeit verloren hatte. Über die Schule, von der sie mit sechzehn hatte abgehen müssen. Es wäre sinnlos gewesen weiterzumachen, denn niemals hätte sie ihre Mutter verlassen, um ein College zu besuchen. Und es gab noch so vieles andere, das er wissen sollte …“
Das Piepen ihres Handys rettete sie. Sie hatte eine SMS bekommen.
„Entschuldigen Sie mich.“ Sie griff in ihre Tasche. Wahrscheinlich schrieb ihre Mutter zurück, doch es war Rose, die ihr eine Nachricht zukommen ließ: „Brauche morgen früh Fotos auf Titelseiten …“
Lydia schluckte. War Rose erkannt worden? Zur Empfangsbestätigung schickte sie Rose die Nachricht zurück und steckte das Handy wieder ein. Kal beobachtete sie aufmerksam.
„Gibt es Probleme?“, fragte er, nachdem Yatimah Kaffee eingegossen und eine strohfarbene Flüssigkeit dazugegeben hatte.
„Um Himmels willen, nein“, wehrte Lydia ab.
Sie durfte nicht aufhören, diesen Mann, der die Wahrheit verdient hätte, zu belügen. Roses Nachricht hatte sie rechtzeitig daran erinnert, wie tief sie in das falsche Spiel verstrickt war. Rose zuliebe durfte sie es nicht abbrechen.
Sie waren London um vier Stunden voraus, die Zeitungen hatten noch lange keinen Redaktionsschluss, doch sie durfte nicht trödeln.
Rose und sie glaubten beide, dass die Paparazzi hofften, sie zusammen mit Rupert Devenish aufzustöbern. Weil das nicht gelingen konnte, sollte Lydia mit anderen, kleineren Attraktion dafür sorgen, dass sie Rose nicht woanders vermuteten. Am ersten Tag sollte sie mit einem offenen Hemd über dem Badeanzug am Strand spazieren gehen. Später sich nur im Badeanzug präsentieren, erst in einem recht sittsamen, danach in einem etwas gewagteren. Für unvorhergesehene Notfälle hatte sie einen Bikini mitgenommen. Roses Nachricht klang ganz danach.
Wie sollte sie Roses Bitte erfüllen? Kal ließ sie zwar allein im Garten spazieren gehen, doch ob er sie allein an den Strand gehen ließ, war mehr als zweifelhaft.
Mit Kal zusammen durften wiederum die Fotografen sie nicht sehen. Ein Unbekannter an ihrer Seite würde Schlagzeilen machen, unter der Rose zu leiden hätte.
Sie musste ihren Beschützer also loswerden, zum Strand gehen und sich zeigen. Das Ganze hatte in weniger als einer Stunde zu geschehen.
Kal beobachtete Rose, während sie vorsichtig am Kaffee nippte. Wer auch immer die Nachricht geschickte hat, gut war sie jedenfalls nicht.
Sie hatte Rose die Gesichtsfarbe gestohlen und sie kribbelig gemacht. Er sah ihr an, dass sie etwas vorhatte.
Doch warum stand sie nicht einfach auf, bedankte sich für den Kaffee und verabschiedete sich?
Warum blieb sie hocken und tat so, als wäre nichts?
Ein Gentleman hätte es ihr leicht gemacht und ihr von sich aus Gelegenheit zum Rückzug geboten. Doch ein Mann, der für ihre Sicherheit zuständig war, durfte das angesichts einer diffusen Gefahr natürlich nicht.
Wenn Lucy ihn doch besser unterrichtet hätte! War sie vielleicht mehr besorgt darüber, was Rose tat, als darüber, was ihr von Seiten anderer geschehen konnte?
Vielleicht sollte er sie sofort anrufen. Doch dazu hätte er Rose allein lassen müssen.
„So wird der Kaffee in der Wüste zubereitet“, erklärte er. „Er wird nicht gemahlen, sondern mit Kardamomsamen gekocht.“
„Ach, wirklich? Er schmeckt ungewöhnlich, aber sehr gut.“
Als sie die Tasse absetzte, hakte er nach. „Die Tradition verlangt, dass Sie zwei Tassen trinken.“
„Zwei?“
Er sah ihr die Ungeduld an und begann, sich ernstlich zu sorgen.
„Die Tassen sind winzig. Wenn Sie Ihre hinhalten, wird Yatimah Ihnen nachschenken.“
Sie trank ihre Tasse mit einem Schluck aus und hielt sie dem Mädchen entgegen.
„Solange Sie das tun, wird Ihnen nachgeschenkt“, erklärte er. „Wenn Sie genug haben, schütteln Sie die Tasse hin und her.“
„Gut.“ Sie trank zum zweiten Mal aus, gab das Zeichen, nicht mehr trinken zu
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