Gebrauchsanweisung fuer Amerika
ihre Ersetzung durch Stahlbetonpaläste und türme, wie sie heute zum internationalen Baustil gehören. Doch da diese Bauten meist von großen Parkplätzen umgeben sind, wirken sie merkwürdig zusammenhanglos. Die Regel aber sind die kilometerlangen, schnurgeraden Straßen, die sich in immer gleichen Abständen mit Nebenstraßen kreuzen und deren Hausnummern von Querstraße zu Querstraße jeweils um hundert zunehmen. Apropos Hausnummern: Wie meist auch in Europa sind die ungeraden Hausnummern, stadtauswärts gesehen, links und die geraden rechts. 1735 Broadway ist also ein Gebäude auf der linken Straßenseite des 17. Blocks vom Broadway. Das bedeutet aber nicht, daß es notwendigerweise von Nr. 1733 und Nr. 1737 flankiert ist; diese beiden Nummern gibt es unter Umständen überhaupt nicht, und es ist sogar möglich, daß auf dieser Broadway-Front nur drei Gebäude stehen, von denen das erste wahrscheinlich Nr. 1701 hat, das zweite eben unsere Nr. 1735 und das dritte zum Beispiel 1777. Ein andermal dagegen suchen Sie vielleicht nach der sonderbaren Adresse 6328 1/2 Pine Street. Es dürfte sich dabei um ein Hinterhaus handeln, das zwischen Nr. 6328 und Nr. 6330 hineingezwängt werden mußte. Im 63. Häuserblock einer Straße? – werden Sie fragen. Ja, und es gibt sogar viele Straßen, die über hundert Blocks weit reichen und daher viele Kilometer lang sind. Den Weltrekord scheint da allerdings Mexico City mit seiner Avenida de los Insurgentes zu halten, die die Stadt auf einer Länge von 28 Kilometern schnurgerade durchquert. Los Angeles dürfte in dieser Hinsicht Nummer zwei sein. Sie können dort Kilometer und Kilometer in derselben geraden Straße dahinfahren, begleitet von der bis zum Fluchtpunkt reichenden Prozession von Starkstro- mund Telefonmasten, die mehr als irgendein anderer Einzelfaktor zur Verschandelung des Stadtbilds beitragen, und flankiert zu beiden Seiten von einer nicht abreißenden Folge von Tankstellen, Hamburger- Buden, Reklameschildern, den Autoparks der Gebrauchtwagenhändler und ähnlichen Augenweiden. Zu diesen zählen auch die Folgen der selbst heute noch weitgehenden Stilfreiheit im Städtebau: Da gibt es Schuhgeschäfte in Form riesiger Stiefel, ein Fischrestaurant in Schiffsform, ein modernes Motel als Ritterburg mit Zinnen und Türmchen und dergleichen mehr, was der Amerikaner mit dem Ausdruck cute (etwa: originell) entschuldigt.
Und nun, wollen wir annehmen, taucht in der Ferne Ihr Hotel auf.
Hotels
Wenn Ihre Finanzen Sie nicht gerade zur Wahl der billigsten Unterkünfte zwingen, werden Sie feststellen, daß auch die mittelklassigen Hotels (und vor allem die Motels, die es in zunehmender Zahl auch bereits in den Stadtzentren gibt) einigermaßen sauber, modern und komfortabel sind. Je nach Preislage (Hotelkategorien gibt es in den USA nicht) ist die Einrichtung von Boston bis San Diego meist schaurig- schön und stereotyp dieselbe, und gewöhnlich fehlt weder der Farbfernsehapparat im Zimmer noch das Schwimmbecken gleich hinter dem Hauptgebäude.
Zimmer ohne Bad und Toilette sind praktisch unbekannt, und viele Hotels und Motels gewähren Wochen- oder auch Monatstarife. Im Gegensatz zu Europa kostet ein Doppelzimmer meist nur fünf bis sieben Dollar mehr als ein Einzelzimmer, und für nochmals ungefähr denselben Betrag können Sie sich ein Klappbett für eine dritte Person ins Zimmer stellen lassen.
Ganz im Gegensatz zum spartanischen Luxus skandinavischer Hotels gibt es Handtücher, Seife, Papiertaschentücher (Kleenex), Schuhputzlappen und dergleichen in Hülle und Fülle. Die meisten Badewannen dagegen sind rein symbolisch; das heißt, auch wenn man sie vollaufen läßt und sich dann hineinlegt, wird man nur am Rücken naß, während Knie und Brust trocken aus dem Wasser ragen. Hat man dann die unselige Idee, sich auf den Bauch zu drehen, so riskiert man größere Hautabschürfungen, da auf dem Boden der Wanne glaspapierartige Rauhstreifen angebracht sind, die das Ausrutschen der nassen Füße beim Duschen verhindern sollen. Denn nur zum Duschen und nicht für Vollbäder sind diese Badezimmer offensichtlich eingerichtet. In manchen Hotels werden Sie zwischen dem Heiß- und dem Kaltwasserhahn des Waschbeckens einen Knopf finden, der bei Drücken gekühltes Trinkwasser spendet. Schuhputzmaschinen gibt es nicht unbedingt, dagegen fehlt nur selten die Eiswürfelmaschine in der Nähe der Lifttüre.
Überall in den USA ist die Stromspannung 110 Volt, und die Steckdosen haben zwei
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