Gebrauchsanweisung fuer Amerika
Besitz von Kreditkarten ist der stolze Nachweis, daß Sie dem Orden der bis über die Ohren verschuldeten Durchschnittsamerikaner angehören. Auf den Antragsformularen, die Sie vermutlich schon im Nachrichtenmagazin der Fluggesellschaft, in Hotels, Banken, Restaurants, Wechselstuben und Tankstellen fanden, wird der Erwerb dieser Karten als kinderleicht hingestellt – ist es aber schon längst nicht mehr. Besonders für den Ausländer, der weder Wohnsitz noch Bankkonto oder Einkommen in den USA hat, sind sie heute praktisch unerhältlich. Aber haben Sie erst einmal ein oder zwei dieser Plastikdinger, dann sind Sie zum Schuldenmachen nachgerade berechtigt. Die Art und Weise, wie dabei aus nichts etwas (Ihr Kredit) entsteht, ist einfach faszinierend – sozusagen ein Akt der Urzeugung. Kein Wunder, wenn sich der Kreditkartenschwindel jährlich auf Milliarden von Dollar beläuft. [8] Mir ist nur noch eine andere vergleichbare Absurdität bekannt:
In weit höherem Maße als in Europa erfordern die amerikanischen Gesetze die Beibringung eines kompletten Satzes von Fingerabdrücken für gewisse Ansuchen (wie berufliche Zulassungen, Konzessionen verschiedener Art, Waffenscheine und so weiter). Diese Fingerabdrücke läßt man sich bei der Polizei abnehmen. Die Einschaltung der Polizei soll offensichtlich verhindern, daß jemand (zum Beispiel ein Vorbestrafter) in betrügerischer Absicht die Fingerabdrücke einer anderen Person als die seinen einreicht. Um so verblüffender ist es daher, wenn der Polizist nach vollzogener Amtshandlung Sie keineswegs nach einem Identitätsausweis fragt, sondern das Eintragen der Personalien in das Formular seelenruhig Ihnen überläßt. Doch dies nur nebenbei. Zurück zum Geld.
Die Verwendung von Schecks anstelle von Bargeld hat in den USA astronomische Ausmaße erreicht, und das System ist so eingespielt, daß die Bank den von Ihnen heute irgendwo ausgestellten Scheck meist schon morgen gegen Ihr Konto verbucht – vorausgesetzt natürlich, daß er vom Empfänger sofort zum Inkasso eingereicht wurde und sich die Transaktion in geographischer Nähe Ihrer Bank abspielte. Fast alle Geschäfte (nicht aber Restaurants) nehmen ad hoc ausgestellte, persönliche Schecks an, vorausgesetzt, daß man in der betreffenden Gegend wohnt und sich durch Führerschein und zusätzlich irgendeine Kreditkarte ausweisen kann. Für den ausländischen Besucher sind diese Angaben natürlich zwecklos; er wird sich mit Bargeld oder den ohnedies viel sichereren, auf Dollar ausgestellten Reiseschecks Behelfen müssen. Euroschecks scheinen in den Staaten auf wenig Gegenliebe zu stoßen, da sie als Zahlungsmittel noch nicht genügend bekannt sein dürften.
Im Vergleich zu europäischen Banken (besonders im internationalen Geldverkehr) lassen die Dienstleistungen der amerikanischen Geldinstitute sehr zu wünschen übrig. Nur auf den bargeldlosen Verkehr und das gigantische Kreditsystem sind sie gut eingespielt, denn dies ist das Hauptanliegen ihrer Kunden. Es wäre aber ein Irrtum anzunehmen, daß die Amerikaner daher wahre Finanzexperten sein müssen. Daß dies nicht der Fall ist, bewies eine vor einigen Jahren von der American Express Company durchgeführte Befragung von 202 wahllos angesprochenen Kunden in großen Geschäftszentren von Atlanta, Massapequa, Chicago und Los Angeles. Es stellte sich heraus, daß nur ganz wenige der Befragten sich über die legale Basis (einschließlich ihrer eigenen Rechte) der Verwendung von Kreditkarten und dergleichen im klaren waren; die überwiegende Mehrzahl dieser Personen war außerstande, auch nur eine von zehn einfachen diesbezüglichen Fragen richtig zu beantworten.
Kreditkarten wie persönliche Schecks nähren die Illusion, selbst jederzeit nach Belieben Geld erzeugen zu können. Daraus erklärt sich wohl ihre ungeheure Beliebtheit (und vermutlich die ebenso ungeheure innere Verschuldung des Landes). Wie oft wird es Ihnen zustoßen, bei einer Kasse warten zu müssen, weil jemand vor Ihnen mit dem Ritual der Bezahlung mit Kreditkarte oder dem zeitraubenden Ausschreiben eines Schecks für $ 1,27 beschäftigt ist. Trösten Sie sich, denn noch größere Dinge bahnen sich an, nämlich die sogenannte schecklose Gesellschaft. Dies bedeutet keineswegs eine Rückkehr zum einfachen Bargeld. Es handelt sich vielmehr um eine Art Superkreditkarte, ein Plastikkärtchen, in das der Name der Bank und die Kontonummer einmagnetisiert sind. Überall wird es dann statt
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