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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika
Autoren: Watzlawick Paul
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Registrierkassen elektronische »Kassen« geben, in die die Karte und der betreffende Betrag eingeführt werden, worauf das betreffende Konto automatisch um die Kaufsumme belastet beziehungsweise eine eventuelle Kontoüberziehung sofort gemeldet wird. Welche Möglichkeiten, sich fremder Konten zu bedienen, dann elektronisch begabten Betrügern offenstehen werden, läßt sich vorläufig auch nicht annähernd ausmalen.
    Freilich ist es noch nicht soweit. Aber Ihr Konto ist auf keinen Fall Ihre Privatsache. Ein Bankgeheimnis im europäischen Sinne gibt es in den USA nicht. Nicht nur kann praktisch jede Behörde, oft ohne gerichtliche Verfügung, von Ihrer Bank Auskunft über Ihre Finanzen, Überweisungen, Hypotheken und so weiter erhalten, sondern selbst Privatpersonen (zum Beispiel Geschäftsleuten) wird angeblich bereitwillig Auskunft darüber erteilt, wieviel Geld Sie haben. Banken sind verpflichtet, jede Überweisung auf Mikrofilm aufzunehmen und jederzeit für behördliche Kontrollen verfügbar zu machen. Die von Ihnen ausgestellten Schecks gehen nach Inkasso einmal im Monat mit dem Kontoauszug an Sie, den Aussteller, zurück. Dies ist überaus praktisch, da es die Ausstellung von Bestätigungen unnötig macht; Ihr Scheck mit dem Inkassovermerk ist Ihre Zahlungsbestätigung.
    In einer grundsätzlich puritanischen Gesellschaft, wie es die amerikanische auch heute noch ist, steht Reichtum bekanntlich für den sichtbaren Beweis des Wohlwollens Gottes. Geld, der Geldwert von Besitz, die Höhe des eigenen Einkommens und so weiter sind daher durchaus stubenreine Gesprächsthemen und äußerer Ausdruck von Rechtschaffenheit. Dies mag zum Teil den schlechten Eindruck erklären, den das Abheben größerer Bargeldbeträge hervorruft (Bargeld ist anonym!), und die geradezu obszöne Anrüchigkeit schweizerischer oder bahamenischer Nummernkonten, hinter denen die amerikanischen Finanz- und Steuerbehörden mit ingrimmiger, eines besseren Zweckes würdiger Hartnäckigkeit her sind.
    Im Vergleich zu vielen europäischen Staaten ist die amerikanische Einkommenssteuer relativ niedrig. Dieser Vorteil wird allerdings durch zahlreiche Nebensteuern aufgehoben, wie zum Beispiel der state tax (der Einkommensteuer des Bundesstaates, in dem man seinen festen Wohnsitz hat), womöglich noch einer city tax, zum Beispiel in New York, und einer großen Zahl weiterer Steuern, von denen Ihnen als Besucher auf jeden Fall die in vielen Bundesstaaten bestehende sales tax (Verkaufssteuer) auffallen dürfte, die oft sogar auf Speisen in Restaurants erhoben wird. Alles ist also 5-7% teurer als angeschrieben, und außerdem ist der zu zahlende Betrag daher immer ungerade. Wie sehr Sie auch versuchen mögen, Ihre einzelnen Cents loszuwerden, Sie werden immer neue bekommen. Die einzige andere Verwendung dafür sind die Parkuhren in Kleinstädten, die Ihnen für einen Cent zwölf Minuten Parkzeit bewilligen.
    Und nun noch eine letzte das Geld betreffende Anmerkung. So unglaublich es Ihnen scheinen mag, in Amerika läßt sich der Preis einer Ware herunterhandeln – und zwar nicht der irgendeiner Dutzendware in einem Kaufhaus oder im Delikatessenlädchen in der 72. Straße,sondern dort, wo Sie es am wenigsten erwarten würden: in den eleganten, teuren Geschäften. Falls Ihnen Talent und Freude am Handeln angeboren sind, ist Ihr Erfolg fast garantiert – besonders dann, wenn Sie Ihren ausländischen Akzent so geschickt zu verwenden verstehen, daß Sie einerseits als Nichtamerikaner sich sozusagen Narrenfreiheit verschaffen, andererseits aber das amerikanische Englisch doch genügend beherrschen. Und damit sind wir bei der Sprache angelangt; einem unerschöpflichen Thema, auf das hier nur einige dürftige Hinweise gegeben werden können.
     

Von Wördi über Kapríh und Kissindscher zu Ms
    Der Amerikaner hat eine von der unseren grundsätzlich verschiedene Einstellung zur Sprache. Niemand hat ihm je den Gedanken nahegelegt, daß Sprache etwas Ehrwürdiges ist, ein natürliches Lebewesen, das, wenn nicht gepflegt und erhalten, sehr rasch entartet und verkümmert. Das Bestehen einer Académie Française oder ähnlicher Sprachautoritäten in anderen europäischen Ländern erscheint ihm höchstens als der Ausdruck typisch europäischen Verhaftetseins in Tradition. Sprache ist für ihn Verbrauchsmaterial, wie Papiertaschentücher; er kann mit ihr anfangen, was er will, und er hat keine innerliche Beziehung zu ihr. Mit dieser Beziehungslosigkeit dürfte –
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