Gebrauchsanweisung fuer Amerika
wenigstens zum Teil – seine notorische Unfähigkeit zusammenhängen, Fremdsprachen zu erlernen. Und überhaupt: Wer braucht schon Fremdsprachen, wenn er auf einem Riesenkontinent lebt, auf dem er Tausende von Kilometern in jeder Richtung reisen kann und immer noch im selben Sprachraum ist? Zugegeben, in Neu-England klingt das amerikanische Englisch anders als in Alabama, doch kommt dieser Unterschied zum Beispiel auch nicht annähernd an den zwischen der Umgangssprache St. Pöltens und St. Gallens heran. Zu dieser Sprachgleichschaltung trägt die ungeheuere Mobilität der amerikanischen Bevölkerung bei. In den Städten, vor allem in den Industriegebieten, wechseln Wohnhäuser (die meist Einfamilienhäuser sind) im Durchschnitt alle zwei Jahre ihre Besitzer. Nach einer anderen Statistik ziehen 25 Millionen Amerikaner jedes Jahr um.
Der Amerikaner erwartet von Ihnen, daß Sie sich irgendwie, schlecht oder recht, des Verbrauchsmaterials English made in USA bedienen. Von Oscar Wilde stammt der Ausspruch, daß England und Amerika zwei Länder sind, die eine gemeinsame Sprache trennt. Und wenn Sie als Kontinentaleuropäer englisches Englisch gelernt haben, dann hat Wildes Aphorismus auch für Sie Bedeutung. Sie werden nämlich bald bemerken, daß so manche Dinge in Amerika anders heißen als in England. Benzin ist gasoline oder schlicht gas und nicht petrol; ein Wohnwagen heißt trailer und nicht caravan; ein Lastwagen ist ein truck und heißt nicht mehr lorry (ein Wort, das übrigens auch in England auszusterben scheint); eine Autobahn ist ein freeway (in den Staaten der Ostküste auch parkway oder turnpike genannt) und nicht ein motor way, für Herbst sagt man fall statt autumn und so weiter. Das international als Aluminium bekannte Leichtmetall wurde im amerikanischen Englisch aus unerfindlichen Gründen zum aluminum, obwohl das hier eliminierte i in allen anderen Namen von Elementen mit der gleichen Endung (uranium, calcium, potassium und so weiter) anstandslos weiterlebt. Indian bedeutet in Großbritannien bekanntlich Inder bzw. indisch; in den USA dagegen bezieht sich das Wort praktisch immer auf die Ureinwohner Amerikas, also auf Indianer bzw. indianisch. Nur selten, und dann meist nur zur Vermeidung von Mißverständnissen, liest man auch American Indian. Ein Inder dagegen ist a native of India, Indian from India oder eventuell auch Indian Indian oder East Indian.
Daß die amerikanische Rechtschreibung das englische ou in der Endsilbe von Hauptworten wie labour, honour, behaviour abgeschafft hat, dürfte Ihnen bekannt sein. In den USA schreibt man also labor, honor, behavior. Diese Vereinfachung gilt aber nicht auch für die Endsilben von Eigenschaftsworten wie dangerous, righteous, glamorous und unzählige andere. Der Buchstabe s der englischen Verbalendsilbeise (die dem deutschen - isieren entspricht) bzw. der englischen (und identischen deutschen) Hauptwortendung -sation wird in Amerika zu z; man schreibt also industrialize statt industrialise, organization statt der englischen organisation und so weiter. Immer häufiger findet man selbst in Sachbüchern, Geschäftsbriefen und dergleichen die saloppe Verwendung von isn’t, hasn’t, aren’t und ähnlicher Scheußlichkeiten, die allein schon deswegen sinnlos sind, weil sie im Vergleich zur korrekten Schreibweise (also zum Beispiel is not ) nur eine Leerstelle einsparen.
Und da wir gerade beim Schreiben sind: Vergessen Sie nicht, daß die angloamerikanische Eins ein mehr oder weniger senkrechter Strich ist und nicht eine Art spitzer Winkel (1) wie in der Schreibweise der meisten europäischen Länder. Letzteres Gebilde dürfte der Amerikaner zögernd als 7 auffassen, be- sonders weil seiner Sieben der kurze Querstrich fehlt, der für uns diese Zahl vor möglichen Verwechslun- gen mit der Eins bewahrt. Eine europäische Sieben, also mit Querstrich (7), hält er fast sicher für den Buchstaben F. Zu welchen Konfusionen das führen kann, läßt sich denken. Umgekehrt ist dem Europäer die Verwendung des Zeichens # (»pound« genannt) statt No. (das heißt Nummer) nicht unbedingt bekannt.
Wenn Sie buchstabieren müssen, zum Beispiel am Telefon, denken Sie bitte daran, daß der Buchstabe z nicht wie im Englischen »zet« heißt, sondern »sih« (mit weichem s wie in der norddeutschen Aussprache von Saft und Seele), und daß er sich daher hervorragend zur Verwechslung mit dem Buchstaben c eignet, der, wie im englischen Englisch, »ssih« (mit scharfem s)
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