Gebrauchsanweisung fuer Amerika
nicht geläufig. Überhaupt die Blasphemien: Hüten Sie sich davor, in guter Gesellschaft selbst relativ harmlose Ausrufe wie »Gott«, »Himmel« und schon gar jeden Bezug auf die Hölle und den Teufel zu verwenden. Denn wenn die Sprache des Amerikaners schon »frei« ist, so frei von puritanischen Hemmungen ist sie doch wieder nicht. Die deutsche Sprache teilt mit der lateinischen (und einigen wenigen anderen) den Vorteil, ein eigenes Wort für das menschliche Wesen zu haben. Die englische kennt nur man als Bezeichnung sowohl für den Menschen als auch für den Mann. Wie in allen anderen, ähnlich minderbemittelten Sprachen wurde diese Gegebenheit bis vor kurzem gelassen hingenommen. Je nach dem Zusammenhang war mit man eben der eine oder der andere Begriff gemeint (ganz ähnlich wie in den meisten indoeuropäischen Sprachen, einige slawische ausgenommen, ein Wort, Tag, entweder einen Zeitraum von 24 Stunden oder nur den Abschnitt zwischen Sonnenaufgang und -untergang bedeutet und daher im Begriff der Nacht sein Gegenteil hat). Die Menschheit hieß daher mankind, chairman bedeutete sowohl der wie die Vorsitzende, und die Feststellung All men are mortal hatte für Männer wie Frauen Gültigkeit.
Mit diesem beklagenswerten, männlich-chauvinistischen Zustand sind die Frauenrechtlerinnen nun im Begriffe aufzuräumen. Für sie ist es ein Ausdruck der jahrtausendelangen Unterdrückung der Frau, und da – wie wir noch sehen werden – in den USA jedes Problem universal und allgemeinverbindlich gelöst werden muß, beginnt die Umgangssprache von bizarren Neologismen zu strotzen. Offiziell fallen diese Bemühungen unter die Rubrik »Vermeidung von Sexismus«, und Berufsorganisationen, wie zum Beispiel die American Psychological Association , veröffentlichen in ihren Fachblättern seitenlange, tierisch ernste Leitlinien für den richtigen Sprachgebrauch, die an Tüftelei jenen des seligen Dr. Goebbels kaum nachstehen.
Greifen Sie sich also nicht an den Kopf, wenn Sie über Wörter wie humankind, chairperson oder personpower stolpern. (Nur das Department of Manpower , so werden wir belehrt, darf weiterhin so heißen.) Schließlich war ja schon Konfuzius davon überzeugt, daß aus der rechten Benennung auch die rechte Wirklichkeit folgt. [9] Aber stellen Sie sich andererseits vor, wie zum Beispiel unsere Gesetzbücher oder Lehrbücher der Medizin aussehen würden, wenn zur Vermeidung von Sexismus überall »der oder die Angeklagte« oder »der Patient oder die Patientin, der oder die hohes Fieber hat...« stehen würde. Etwas ähnliches aber wird nun in den USA ganz ernsthaft versucht und führt dazu, daß es in gewissen, besonders emanzipierten Veröffentlichungen von den holprigen Formulierungen »he or she« , »he/she« oder auch umgekehrt nur so wimmelt.
Von dieser Warte aus wurde es natürlich auch notwendig, etwas gegen das chauvinistische »Gentlemen:« zu unternehmen, das unserem »Sehr geehrte Herren« entspricht und bisher als anonyme briefliche Anrede bei Zuschriften an ebenso anonyme Ämter, Firmen, Institutionen usw. für richtig galt, und es verstand sich von selbst, daß dieser Brief genausogut von einem Mann wie einer Frau bearbeitet und beantwortet werden konnte. Die Kammerjäger der antisexistischen Sprachdesinfektion schlagen dafür die Neuildung »Gentlepersons:« vor. Sogar Präsident Carter hielt es 1977 für angebracht, sich in einer offiziellen Würdigung auf den skandinavischen Entdeckungsfahrer Leif Erikson als »that brave Norseperson« zu beziehen, was die Washingtoner Presse mit gebührender Heiterkeit zur Kenntnis nahm. Laut Associated Press war Erikson anläßlich derselben Gedenkfeier im Jahre 1978 dann aber doch wieder ein Norseman (Nordländer).
In diesem Zusammenhang ist ferner ein Neologismus zu erwähnen, der aus der angeblichen Notwendigkeit geboren wurde, ebenfalls zur Vermeidung von Sexismus die Unterscheidung zwischen Frau und Fräulein – Mrs. und Miss – fallenzulassen und für beide Arten von weiblichen Wesen die Standardbezeichnung Ms einzuführen, die auch so auszusprechen ist. In ihrer seltsamen Vokallosigkeit bringt sie das moderne Englisch in die Nähe des berühmten tschechischen Satzes »Strè prst skrz krk« (Steck den Finger in den Hals), der, wie Sie sehen, auch nicht einen einzigen Vokal enthält.
Daß die amerikanische Frau den Wunsch nach einem Sondertitel haben soll, wird verständlicher, wenn man herausfindet, daß sie im konservativen Amerika bei Heirat
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