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Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Gebrauchsanweisung fuer Amerika

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Amerika
Autoren: Watzlawick Paul
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werden. Kissinger heißt nun einmal Kissindscher, und clevere europäische Radioansager erfaßten das sofort.
    Ein bestimmter Autotyp heißt Kuhp, und wenn Sie auf Coupé bestehen sollten, beweist das nur, wie ungebildet Sie sind. Die Währung der Bundesrepublik heißt ein für allemal Deutschemark, wobei das überflüssige e der Automarke Porsche weggenommen wurde – der Wagen heißt nämlich Porsch, gleichgültig, wie sehr Sie dagegen protestieren mögen. Der Oberkellner in eleganten Restaurants ist der Maître De (»Dih« ausgesprochen); wovon er Maître ist, bleibt prinzipiell unausgesprochen, beziehungsweise er ist eben Maître von De. Der Lebenslauf, den Sie einem Gesuch beilegen, ist a vitae oder a vita; irgend jemand hat in grauer Vorzeit beschlossen, daß das Wort curriculum nichts damit zu tun zu haben braucht. Ähnlich ergeht es dem Wort conditio sogar in akademischen Abhandlungen: »die nicht wegzudenkende Vorbedingung« ist the sitne qua non. Daß das Unsinn ist, stört niemanden, da ja kaum jemand genug Latein versteht. Ähnlich ergeht’s dem Spanischen in den Südweststaaten der Union. Die (mexikanische) Halbinsel Baja California heißt der Einfachheit halber Baja (dem die Bezeichnung Nieder für Niederösterreich entspräche); und besonders Grundstücksmakler und Stadtplaner leisten sich unzählige spanische Verballhornungen für Ortsoder Straßenbezeichnungen, wie Monta Vista, Mision Viejo, Casa Canala usw.
    Ebenfalls verschlampt wird im amerikanischen Schriftstil der Bindestrich, der im korrekten Englisch dem mühsam nach Sinn tastenden Ausländer einen gelegentlichen festen Halt bietet – wie etwa in den Formulierungen world-wide, chocolate-covered, fun-filled . Stoßen Sie also auf einen Satz wie »He was a well known mostly self taught expert in problem solving« , so nehmen Sie nicht einfach an, daß es Wortsalat ist, sondern überlegen Sie sich, wo der amerikanische Verfasser (oder sein Setzer) Bindestriche weggelassen haben könnte – nicht weniger als drei.
    Ähnlich steht es mit der dem Europäer unerforschlichen Methode der Silbentrennung. Da für den Amerikaner ein Wort ein Zufallskonglomerat von Buchstaben ist, fällt es ihm sehr schwer, in ihm Silben zu erkennen. Die Wörterbücher stellen die Sache zwar als kinderleicht hin, indem sie tautologisch darauf verweisen, daß Worte jeweils zwischen zwei Silben getrennt werden. I-so-late scheint ein durchaus koscheres Beispiel; doch etwa bei den Worten setting und selling erweist es sich, daß auch die Wörterbücher sonderbare Ansichten von Silben haben. Setting muß nämlich (unserem Gefühl nach richtigerweise) in set-ting zerlegt werden; selling dagegen in sell-ing . Die Logik dahinter scheint zu sein, daß set auch ohne das zweite t ein Wort ist, sel ohne das zweite / aber nicht. Und in Befolgung dieser Regel kommt man unschwer bei Absurditäten wie coward-ice oder mal-ice an. Hat es damit zu tun, daß coward wie auch ice Wörter für sich sind? Anscheinend nicht, denn für prejudice verlangt das Wörterbuch rätselhafterweise die Trennung prej-u-dice . (Wie gesagt, Latein ist nicht die Stärke des Amerikaners.) Zerbrechen Sie sich darüber aber nicht weiter den Kopf, denn in unserem Zeitalter des automatischen Schriftsetzens durch den Computer sind selbst die Regeln der Wörterbücher zu archaischen Relikten geworden.
    Wenn Sie wirklich amörrikan klingen wollen, ist es ferner de rigueur , das Wort whom aus Ihrem Sprachschatz zu verbannen. Bemühen Sie sich also, »Who would you like to meet?« , »Somebody who I don’t remember« und ähnliches zu sagen, auch wenn es zunächst in Ohren und Seele schmerzen sollte. Sie gewöhnen sich schließlich daran, besonders wenn Sie sich die Sprache der Sportreporter und der Werbefachleute zum Vorbild nehmen. Empfehlenswert ist es auch, »you and I« prinzipiell im Nominativ zu belassen, also zum Beispiel »This is for you and I« (obwohl Sie vermutlich weiterhin »This is for me« sagen werden). Statt dem korrekten half an hour gewöhnen Sie sich a half an hour oder a half-hour an. Auch wenn Ihre Aussprache zu wünschen übrigläßt, wird man Ihnen diese ernsthaften Bemühungen wohlwollend anrechnen.
    Stoßen Sie sich nicht daran, daß man sich Drittpersonen gegenüber auf Sie nicht als »gentleman« bzw. »madam« bezieht. Wie Umfragen bewiesen haben, findet der Durchschnittsamerikaner das Wort gentleman lächerlich, und madam ist sowieso seit langem die Bezeichnung für die Leiterin eines
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