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Gebrauchsanweisung für China (German Edition)

Gebrauchsanweisung für China (German Edition)

Titel: Gebrauchsanweisung für China (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Strittmatter
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privatem und öffentlichem Raum aus: Noch die letzte Windung deines Hirns hatte sich dem Großen Vorsitzenden zu Gefallen zu krümmen. Die neue Wertschätzung, die das Private jetzt erfährt, ist Zeichen dafür, dass Chinas Gesellschaft dabei ist, die Erinnerung an jene Zeit abzuschütteln. Es ist kein Zufall, dass sie einhergeht mit der Rehabilitierung der Privatwirtschaft durch die Kommunisten (die Partei ließ den Schutz der Privatwirtschaft sogar in die Verfassung schreiben). Karl Marx hatte schon recht: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

 

Deoroller
     
     
    Eines der wenigen Dinge, die in China kaum aufzutreiben sind (vgl. Lebkuchen , früher auch → Nutella ). Das Fehlen dieses Toilettenartikels, der an Fortschreiten und Zivilisierung des westlichen Gesellschaftslebens ähnlichen Anteil hatte wie Buchdruck und Gewaltenteilung, illustriert eine weitere Ausnahme von der Regel, der zufolge alle Menschen gleich seien: vielleicht vor Gottes Gnade, nicht aber vor seiner Nase. Europäer nämlich riechen, Chinesen dahingegen nicht, bzw. wenn doch einmal, dann höchstens aus dem Mund und nach Knoblauch – nicht aber aus der Achselhöhle. Eine Pekinger Stadtzeitschrift empfiehlt verzweifelten Ausländern als Ersatz: 1. die von örtlichen Krankenhäusern angebotene operative Entfernung der Schweißdrüsen (eine Stunde, knapp 160 Euro), 2. ein medizinisches Spray mit dem schönen Namen hu xiu sha jun , dt.: »Bakterienkiller für Leute, die stinken wie Füchse«. Für uns Ausländer also. Deo-Verkäufe nehmen allmählich zu in den großen Städten, allerdings werden die Stifte nicht direkt eingesetzt gegen Schweiß und Gestank, sondern mehr wie Parfüm, daher auch der Name: Xiang ti zhu ist wörtlich die »Perle für den duftenden Körper«.

 

Gelbe Gefahr
     
     
    Lauert seit Attila, dem Hunnenkönig, (406–453 n. Chr.), und Dschinghis Khan (gestorben 1227) weit hinten im Osten. Erlebte im späten 19. Jahrhundert seine Wiedergeburt als Schreckensphantasie der westlichen Länder. Da waren dann schon die Chinesen gemeint. Die Vorstellung Chinas als gelber Gefahr wechselt im Lauf der Geschichte regelmäßig ab mit dem Bild des Landes als Reich von Milch und Honig: Es sind die zwei Seiten ein und derselben Münze in der Tasche eines Abendlandes, dem das genaue Hinsehen zu mühsam ist.
    In den USA sorgte im 19. Jahrhundert der Zustrom fleißiger chinesischer Einwanderer (Ameisen! Heiden! Gelbe!) erstmals für Konkurrenzängste unter der amerikanischen Arbeiterschaft. Der Begriff »Gelbe Gefahr« selbst jedoch wurde in Europa geprägt, manche vermuten den deutschen Kaiser Wilhelm II. als Urheber. Wilhelm II. ließ im Jahr 1895 als Geschenk für den russischen Zaren Nikolaus II das Gemälde »Völker Europas, wahret Eure heiligsten Güter!« anfertigen. Darauf ist der Erzengel Michael zu sehen, wie er in voller Rüstung die Völker Europas vor einer anrückenden Gewitterwolke warnt, auf welcher ein Buddha heranschwebt.Fünf Jahre später hielt der Kaiser in Bremen vor dem zur Ausfahrt nach China versammelten deutschen Expeditionskorps jene Ansprache, die als »Hunnenrede« bekannt wurde: »Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht!« Dabei rief der Kaiser seine Soldaten ausgerechnet dazu auf, sich einen Namen zu machen »wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel«. Interessanterweise erschallte der Warnruf von der gelben Gefahr immer dann am lautesten, wenn die weiße Gefahr die viel größere war: Als der Kaiser seine Hunnenrede hielt, hatten europäische Truppen große Stücke chinesischen Territoriums besetzt. Die in Bremen versammelten deutschen Soldaten sollten die sogenannten Boxer niederkämpfen, chinesische Aufständische, die sich gegen europäische Missionare und Kolonialisten erhoben hatten. In der Stadt Qingdao (die Deutschen schrieben sie »Tsingtao«) sind noch heute die Fachwerkhäuschen zu besichtigen, die die deutschen Kolonialherren damals auf chinesischen Boden gepflanzt hatten.
    Später fanden die Rufe von der gelben Gefahr ihr Echo in der antichinesischen Hetze der amerikanischen Zeitungen von William Randolph Hearst und in den »Fu Manchu«-Romanen des Briten Sax Rohmer (»Es geht um nicht weniger als um die Beherrschung der Welt«, wird den schaudernden Lesern verkündet: »Mit Waffen von Raketen bis zum okkulten Magnetismus drohen die Orientalen die weiße Rasse auszulöschen und Dr. Fu Manchu zum Herrscher der Welt zu machen...«).
    Unter Mao Zedong trat die

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