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Gebrauchsanweisung für die Welt

Gebrauchsanweisung für die Welt

Titel: Gebrauchsanweisung für die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Altmann
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Kommandantur telefonierte, um zu erfahren, ob es doch noch eine freie Stelle »pour un arabe« gäbe, lächelten wir uns an, Abdelkadar und ich. Jetzt wussten wir: Diesen Ort gab es nicht.
    Auch für diese Übung war ein Griff in die Trickkiste nötig gewesen. Aussagen wie »weiße Rasse immer« und »Araber nur bedingt« existierten offiziell nicht. Nie schriftlich. Man erfährt davon nur, wenn man – in diesem Fall als Reporter – ein Lügenspiel inszeniert. An dessen Ende die Wahrheit auftaucht.
    Noch ein paar Kniffe, um Nähe herzustellen zur Wahrheit, zur Tatsächlichkeit: Ich ändere im Handumdrehen meine Nationalität (wie den Beruf ), manchmal bin ich Amerikaner (mächtig), manchmal Schwede (machtlos), manchmal Jude (riskant), manchmal Atheist (auch riskant), manchmal Fundamentalist (ganz gleich welchen Irrglaubens). Ich bin immer das, was der Person, die mir gegenübersitzt, das Reden, das Sichausreden, erleichtert. Selbstverständlich muss ich ihn (sie) richtig einschätzen. Dann »verkleide« ich mich, sodass der andere mich – sprich, das, was ich wirklich denke – nicht sieht. Befinde ich mich unter Ausländern, die ihre Meinung über Deutschland äußern, dann bin ich sicher nicht Deutscher. Denn umgehend würden sie sich zurückhaltender ausdrücken. Aber ich will die Wirklichkeit hören, will keine Konvention, kein unverbindliches Geschwatz.
    Könnte ich mir ein anderes Leben wünschen, ich wäre gern Tyll Eulenspiegel gewesen, der sagenhafte »trickster« aus dem vierzehnten Jahrhundert. Ein Listiger, dem viele Mittel (immer gewaltlose) recht waren, um die Realität hinter all den Masken zu entdecken. Zu seinen Lieblingsopfern gehörten die Pfaffen, denn Religion eignete sich schon damals vortrefflich, um als Scheinheiliger unheilig zu leben. Aber Tyll war nie Rächer und Töter, nur immer Schelm, der allen Weihrauchtiraden misstraute. Ein Menschenfreund, der einiges riskierte, um die Freunde von den Feinden zu unterscheiden.
    O. k., das waren ein paar Ratschläge für die hardcore travellers , für jene, die laut Montesquieu »eine begierige Gemütsart nach neuen und unbekannten Dingen antreibt«. Die folgenden Bluffs taugen für alle, auch diejenigen, die von keinem professionellen Ehrgeiz gejagt werden. Bluffs, die Distanz schaffen und, wenn gewünscht, willkommene Nähe.
    Stichpunkt Bettler. Ein Riesenproblem, dem keiner von uns als Reisender entgeht. Wir (Weißen) gehören eben zur upper class , zu den Paschas, unser Phantombild ist auf allen fünf Kontinenten bekannt. Sogar Blinde erkennen uns: an unserem Eau de Toilette, an unserem (eher herrischen) Ton, am Klicken jener schweren Gerätschaften, die an unseren Körpern baumeln. Wie gehen wir folglich mit den restlichen fünf Siebteln um, den Habenichtsen? Wie kein Unmensch werden und wie sich gleichzeitig nicht für alles Leid auf Erden verantwortlich fühlen? (Gutmenschen lieben es allerdings, sich schuldbeladen durchs Leben zu schleppen.) Wie Beinlose am Weg übersehen und wie einen Sechsjährigen überhören, der »I am hungry« ruft? Wie den Ruf eines Gestrandeten ertragen, den das Leben um alles betrogen hat? Zähe Fragen, die jeden heimsuchen, der sich auf den Weg macht und dessen Herz noch nicht von Kälte und Sattheit vereitert ist.
    Ich habe lange gebraucht, um einigermaßen klar zu werden. Auch zu erkennen, dass ich so edel nicht bin, wie ich mich gern hätte. Und dass weder Bill Gates noch ich die zwei oder drei Milliarden retten können, die mit (umgerechnet) zwei oder drei Dollar pro Tag über die Runden kommen müssen. Kurzum, ich habe ein festes Budget, das ich – Stichwort Welthungerhilfe – täglich ausgebe. Bevorzugt an Alte, die ihre Zukunft schon hinter sich haben. Und an Kinder, die wohl nie eine haben werden. Trotzdem, ich empfinde dabei kein Gefühl von Befriedigung. Weil ich ja mehr geben könnte. Aber nicht tue. Ich rücke das Geld vor allem deshalb heraus, um den anderen kurzzeitig zu befrieden, ihn ruhigzustellen. Während mir selbst das bisschen Cash als eine Art Lösegeld vom schlechten Gewissen dient. Aber es erlöst mich nicht. Das Dilemma bleibt.
    Wie dem auch sei, jetzt will ich die Finten aufzählen. Ich habe sie mir hart erarbeitet. Ich greife immer dann auf sie zurück, wenn a) die Penetranz überhandnimmt, sprich, wenn Einmalgeben Zehnmalgeben heißt. Wenn b) ein armer Schlucker ein hinter dem nächsten Eck verstecktes Heer anderer Hungerleider animiert, sich mir in den Weg zu stellen. Oder

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