Gebrauchsanweisung für die Welt
intelligenter Verehrer, einer mit Erkenntnisbereitschaft, wird einsehen, dass man nicht jede haben kann. Und woanders seinen Charme versuchen. Nur die lästigen Männer, jene, die von dem Wahn besessen sind, dass keine an ihnen vorbeikommt, werden nun penetrant die kluge Schöne belästigen.
So ähnlich unser Mann am Schreibtisch (viel mehr Männer als Frauen tun das). Er schreibt und schreibt und hört all das nicht, was ein Begabter hören würde: den Rhythmus, die Musik, die Harmonie, den Swing, den Sinn. Er schreibt – so sagen es die Franzosen – »comme un pied«, wie ein Fuß. So eckig, so linkisch, so ohne Anmut. Er belästigt jetzt die Sprache, stochert wie ein tapsiger Verlobter in seiner Verlobten ungelenk in ihr herum. Dass ihm dabei keine Jubelschreie – weder von der Braut noch vom Leserpublikum – entgegenfliegen, sollte nicht überraschen. Denn man riecht den Schweiß, die fürchterliche Mühsal. Aber genau das ist der springende Punkt. Wir Leser wollen das nicht riechen, nicht sehen, wir wollen Eleganz bewundern, die Leichtigkeit, wollen ein Ergebnis präsentiert bekommen, das uns – auch wenn wir bisweilen dem Autor widersprechen – mit Schönheit und Hintersinn versorgt. Und mit »Lebenshilfe«. Wir wollen keinem zuschauen, wie er den dreifachen Rittberger trainiert, nein, wir wollen den fertigen Rittberger bewundern, das schwerelose Tänzeln, das Schweben. Und wir wollen mit Gedanken beschenkt werden, die uns zu Tränen rühren – Tränen der Freude, der Erkenntnis, des Trostes, des Kummers. Wir lesen und der gewiefte Schreiber führt uns in unsere geheimsten Herzkammern. Wo wir etwas – dank seiner, dank eines Wildfremden – über uns und die Welt begreifen. Zum ersten Mal. Oder wieder begreifen, was längst vergessen scheint.
Leider passiert das oft nicht. Dann werden wir mit Geistesblässe behelligt, mit einem Sack Plattheiten. Wäre ich Diktator (ich kann meine Omnipotenz-Ansprüche nicht lassen), ich würde diesen Schreibtischtätern einen Keuschheits-Handschuh verpassen. Und die Schlüssel in meinem Schlossteich versenken. Damit die Gimpel ein für alle Mal aufhören, Hand ans Wunderlichste zu legen, das wir haben: unsere Sprache.
Zurück zum Hauptpunkt, Reisen und Schreiben. Selbstverständlich: Führt einer für sich unterwegs eine Art Logbuch, dann muss er sich vor niemandem rechtfertigen. Er darf schreiben, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Darf jeden verschluckten Seufzer aufzählen, darf weinen und jauchzen, wann immer ihm danach zumute ist. Weil er weise ist und nicht von der Eitelkeit getrieben wird, sich der Welt mitzuteilen. Er führt ein Zwiegespräch – mit sich. Wie jeder vor ihm spürt er instinktiv, dass der Akt des Notierens ihn besänftigt, ihm hilft beim Lösen (innerer) Konflikte. Oder ihn einfach erheitert und amüsiert. »Alles, was ruhig macht, ist gut«, stand in einem Interview mit Michel Houellebecq zu lesen. Vom Schreiben war die Rede. Wie wahr. Jeder, ob Anfänger oder Vollprofi, kennt diesen fast absurden Vorgang: Man stellt lautlos Buchstaben hintereinander auf und irgendwie – rätselhaft – wird das Herz leichter. Ein »Fahrtenschreiber« auf großer Fahrt – und Reisen kann auf perfide Weise an Leib und Seele zehren – wirkt wie ein Antibiotikum, gegen die Entzündungen im Herzbereich. Funktioniert wie ein Heilkraut, zum Betupfen der Wundstellen.
Vielleicht hilft noch ein Vergleich: Seit Urzeiten ist bewiesen, dass Singen dem Menschen zuträglich ist. Der ganze Körper vibriert, er öffnet sich, er teilt sich mit. Ich singe auch, tatsächlich unter der Dusche. Es klingt ziemlich abartig, macht mich aber sinnenfroh und ausgelassen. Das so Erfreuliche an mir in diesen Augenblicken: Ich will es nicht aufzeichnen, keine Webcam installieren, nichts ins Netz stellen, keine CD brennen lassen, niemandem mit einer Hörprobe zusetzen. Nicht einmal den besten Freunden. Ich bin ein radikal verschwiegener Sänger. Wäre das nicht ein Vorschlag zur Güte für all jene, die so kläglich schreiben, wie ich singe?
Jetzt aber zu den Begabten, die etwas zum Schreiben haben. Jenen, die irgendwo im Hirn über ein Gen verfügen, dessen Ausbeutung ein unbezahlbares Privileg ist. Und da sie »Reiseschriftsteller« werden wollen, haben sie es leichter als andere Verfasser. Denn ihr Arbeitsgebiet ist die Erde und nichts Reicheres, nichts Vielfältigeres scheint sich augenblicklich im Universum zu bewegen. Ein Romanschriftsteller muss die Welt neu
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