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Gebrauchsanweisung fuer Indien

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Indien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ilija Trojanow
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Dharmiklal C. Pandya, nachdem er sich wieder auf die Matte mitten im Übungszimmer gesetzt hat, »über die Tochter des armen Dichters Narsinh Mehta etwa, kennt jeder Zuhörer die Geschichte, und doch weiß keiner, wie ich sie erzählen werde. Es ist eine traurige Geschichte, müssen Sie wissen, denn die Tochter, sie hieß Kunvarbai, war verheiratet, und zu der religiösen Zeremonie, die wir feiern, wenn die Frau zum erstenmal schwanger wird, mameru, muß der Vater der Schwangeren der Familie des Schwiegersohns ein besonders schönes Geschenk überreichen. Die Schwiegereltern von Kunvarbai begannen, eine Liste aufzusetzen, wer welches Geschenk geben sollte, und dabei sagte die Schwiegermutter, was wird dein Vater schon bringen können, na, wenigstens einen großen Stein. Als der Dichter die Liste sah, hätte er beleidigt sein müssen, besorgt, aber er war gleichmütig, er sang weiter seine Bhakti-Lieder, seine Bhajans. Was wird dein Vater schon bringen, mußte seine Tochter sich anhören, na, vielleicht einige Blätter vom Tulsi-Baum, einige Muscheln? Seine Tochter schämt sich, als ihr Vater am Tag des Festes mit leeren Händen auftaucht, doch dann klopft es erneut an der Tür, ein Händler steht am Eingang, und er verkündet: Ich bringe Geschenke, im Auftrag von Nahrsinh Mehta, und eine Vielzahl von Dienern tritt herein, die feinsten Stoffe und Wären in den Händen, sogar ein Stein ist dabei, doch der Stein, so stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, ist aus Gold.
    Wenn ich die Geschichte erzähle, breche ich oft in Tränen aus, und die Zuhörer weinen auch, Frauen und Männer, und sie weinen so inbrünstig, daß es mich überkommt, nach dem Gesang innezuhalten und die Schluchzenden zu fragen: Wer unter euch ist denn unschuldig, wer hat noch nie um die Aussteuer, um den Brautschatz geschachert?«

    Nur ein Zeichen kann mit dem Aum konkurrieren: die Swastika, die ebenfalls ein kosmisches Ganzes repräsentiert. Sie ist ebenso allgegenwärtig, in Heimen, auf Häuserwänden, bei Festen, auf Marktplätzen – das unvollständige Quadrat, oft in roter Farbe getüncht, garantiert den Segen Gottes. Und doch fällt es nicht nur Europäern, sondern auch manchen westlich gebildeten Indern schwer, dieses segensreiche Zeichen zu betrachten, ohne an seine düstere Umdrehung zu denken, an das schwarze Hakenkreuz der Nazis, das sich von der Swastika erst bei genauerer Betrachtung unterscheidet: die Endseiten des Kreuzes gehen in die entgegengesetzte Richtung ab.
    Wie kann jemand, der in verschiedenen Traditionen und Kulturen beheimatet ist, mit diesem Widerspruch umgehen? Kann er je vergessen, für welchen Massenmord, welche Menschenverachtung, Zerstörung und Verdummung dieses Zeichen gestanden hat? Und wie kann er die ursprüngliche Vision universeller Harmonie bergen, die in der Swastika, einem der ältesten Kosmogramme der Menschheit, enthalten ist, diesem Talisman im rituellen Alltag von Hindus, Buddhisten und Jain? Ein Bestandteil der komplexesten Pujas, jener Abstraktionen namens Rangoli, die zu besonderen Anlässen vor der Eingangstür gemalt werden. Auf einfacher Ebene symbolisiert die Swastika nichts weniger als die Perfektion des Universums, ein solares Symbol in quadratischer Form. Das Universum wird in vier Teile aufgeteilt, die Sonne in der Mitte. In dieser Bedeutung überwindet die Swastika alle religiösen Grenzen und ethnischen Identitäten. Die Arme des Kreuzes lassen an die Achsen des Universums denken, an Längengrad und Breitengrad, und natürlich an die vier Himmelsrichtungen.
    Versteht man aber die Swastika nicht nur als magisches Schutzbild, sondern sucht einen persönlichen Zugang, so drückt es den Bezug aus, den die Seele zu einer Welt im vollkommenen Gleichgewicht finden kann, das Ideal einer Aufhebung der eigenen Isolation, um seinen Platz in der kosmischen Allgegenwart zu finden. Es ist mehr als ironisch, daß ein so inklusives Zeichen, eines, das gegen Egoismus und Einseitigkeit mahnt, von den Nazis als Stempel ihrer Politik der Aussonderung verwendet wurde.

3. Guru

    Guru (Sanskrit, »der Schwere« ): 1. Ein geistiger Lehrer, der schon eine höhere Stufe der spirituellen Erkenntnis erlangt hat. 2. Meister, Lehrmeister, Koryphäe, Autorität, Fachmann, Spezialist, Experte, Kenner, Grandseigneur.

    Nie werde ich vergessen, wie Zakir Hussein, größter Tabla-Spieler unserer Zeit, seinen Guru, der auch sein Vater gewesen war, an dessen erstem Todestag ehrte. Um sechs Uhr in der Früh hatte er in

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