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Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder

Titel: Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ariane Grundies
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glücklichen Ausgang einer Strandung gespendet. Der Innenraum ist in den Meeresfarben Grau, Grün und Blau gehalten. In Küstenkirchen wurde oft gebetet: O Herr, segne unseren Strand. Und tatsächlich werden immer wieder Waren angespült. So kamen die Meck-Pommer zu
DDR
-Zeiten manchmal in den Besitz unerlaubter Produkte. Angespültes Strandgut muss übrigens unverzüglich gemeldet werden, sonst macht sich der Finder strafbar.
     
    Strandmuscheln : Eine Pest, diese kleinen Iglus, wenn auch – zugegeben – ganz praktisch. Strandmuschel an Strandmuschel, rot, gelb, blau. Nur die Coolen sitzen im Strandkorb oder liegen plain auf einem Handtuch. Alle anderen hocken in ihren Strandmuscheln.
    Vögel : Man muss nicht in Städte wie Mailand oder Krakau fahren, um viele, viele Vögel zu sehen. So wie die Marktplätze europäischer Großstädte von Tauben bevölkert und zugekackt werden, können Sie in den flachen Boddengewässern der Fischland-Darß-Zingst-Halbinsel etwa siebzig verschiedene Vogelarten beobachten, die auf den Salzwiesen und -weiden ihr Paradies gefunden haben. Das Geklapper der Störche und ein knapp verfehlter Möwenschiss gehören in Mecklenburg-Vorpommern immer dazu.
     
    Künstler : Strohhüte mit blauem Band, darunter silbernes Haar und open minded. So stolziert der ein oder andere Künstler über die Halbinsel und macht einen für einen Augenblick vergessen, dass es Blackberrys und iPods gibt.
Usedom
    Was auf Rügen sächselt, berlinert auf Usedom. Seit rund hundert Jahren gilt die Insel als Badewanne Berlins . Vorne Ku’damm, hinten Ostsee , lästerte Tucholsky.
    Ick setz mir in die Bahn rinn und bin ruckizucki da . Das dachte schon Marlene, und das sagte auch Frau Olfe, mit der ich einmal das Zugabteil teilen durfte. Frau Olfe fährt im Sommer jedes zweite Wochenende nach Ahlbeck, mal ohne ihren Herrn uff de faule Haut lejen, wa ?! Am Wochenende dazwischen ist sie mit ihrem Herrn im Schreberjarten und ackert .
    Und der Herr will nie mit ? , fragte ich.
    Der kennt die Seebrücke nur aus Pappa ante portas . Dit kann von mir aus och so bleiben, dafür bring ick ihm ne Stange Kippen mit, wenn ick mit meine Freundin mit dem Auto hochfahr. Ich denke, dass Frau Olfe die Kippen in Polen kauft. Usedoms Autokennzeichen verrät: Polen ist nah;
OVP
 – Ort vor Polen. Und jeder, der in Ahlbeck auf der ältesten Seebrücke übers Wasser geht wie Moses, der fährt auch manchmal für ein oder zwei Stangen Kippen rüber nach S´winoujs´cie (deutsch: Swinemünde). Ich kann mich an den Stau an der Grenze hinter Ahlbeck erinnern, denn auch ich stand Anfang der Neunziger dort, um eine raubkopierte Queen-Kassette und eine anderthalb Meter lange Lakritzstange zu erstehen. Jedoch verlor man in meiner größtenteils Nichtraucherfamilie schnell das Interesse am Polenmarkt , und mein rauchender Bruder bekam von den Billigzigaretten Gott sei Dank Kopfschmerzen. Erschreckend, wie bald für die Meck-Pommer Polen zu
POLEN
wurde, zum rückständigen sozialistischen
POLEN
. Die westliche Erhabenheit griff schnellstens um sich. Beleidigt schaut der Meck-Pommer, wenn man sagt, ihr seid doch da schon Polen. Nein, wir sind Westen – die sind Polen. Wir sind Westen. Auch wir sind Deutschland. Zwar leben wir zusammen auf einer Insel, aber die gleichen Zigaretten rauchen wir nicht, nicht immer.
    Auch wenn der polnische Anteil nur 72 von 445 Quadratkilometern beträgt, begann doch alles auf polnischer Seite, in Swinemünde. Anfang des 20. Jahrhunderts mauserte es sich zum größten deutschen Ostseebad und zum Verwaltungszentrum Usedoms. Dreiundvierzigtausend Badegäste zählte Swinemünde 1928.
    Frau Olfe nutzt nun auf deutscher Seite die Corporate Identity der Usedomer Seebäder, die meck-pommerschen High Qualitys  – Entspannung, Ruhe und Natur. Ich wollte ihr Tipps geben, wo die Insel weniger überlaufen, aber nicht weniger schön sei, noch mehr High Qualitys sozusagen, aber sie winkte ab. Sie wollte es haben wie eine Ölsardine. Sie hatte es gerne voll und fuhr extra am Wochenende und extra in eines der drei Kaiserbäder. In den drei Kaiserbädern Ahlbeck, Bansin und Heringsdorf flanierten, so wie sie, einst auch die Zarenfamilie und andere Berühmtheiten, die in der würzigen Seeluft zu genesen hofften. Maxim Gorki ließ sich in der Villa Irmgard nieder, blieb über ein Jahr auf Usedom und bekam Besuch von treuen Freunden, gerne von Tolstoi. Da Tolstoi dem Adelsgeschlecht entstammt, ist davon auszugehen, dass er, würde er

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