Gebrauchsanweisung für Mecklenburg-Vorpommern und die Ostseebäder
einen kleinen Mindestabstand wahren). In der Bar kann der Besucher dann den Tag bei geistigen oder nicht alkoholischen Getränken ausklingen lassen .
Ein geistiges Prosit auf diese Marketing-Meisterleistung! Da lob ick mir dit alte Berliner Werbeplakat, das für Usedom mit: Uff’m Wasser loofen geworben hatte. Dit war mal dschenial!
Vilm
Film ist ein faszinierendes Medium. Weil er den Zuschauer in eine andere Wirklichkeit entführt, in die er nicht eingreifen kann. Der meck-pommersche Vilm bietet seinem Publikum genau das. Eine Mischung aus dem Film Into the wild und der Serie Lost .
Pro Tag kann sich eine begrenzte Anzahl angemeldeter Touristen (etwa dreißig) von Lauterbach auf Rügen mit MS Julchen übersetzen lassen (Reservierung unter 0
38
30/16
18
96), um für 15 Euro Wildnis auf einer einsamen Insel zu besichtigen. Lost-Feeling für etwas mehr als neunzig Minuten, die die geführte Wanderung über das 94 Hektar große, seit 1936 unter strengem Naturschutz stehende Eiland dauert. Zwischen 1960 und 1990 fuhren schwarze Limousinen im Hafen von Lauterbach vor und ließen ein paar Hohe Tiere heraus, die sich unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf der verbotenen Insel tummelten. Für die Normalsterblichen war Vilm während dieser Jahre gänzlich gesperrt. Elf reetgedeckte Häuser in Weiß-Braun entstanden zur Erholung von
DDR
-Funktionären. Heute sind die Häuser in einem freundlichen Gelb-Blau gehalten und werden von Forschern und Wissenschaftlern genutzt. Im ehemaligen
SED
-Gästehaus hat sich die Internationale Naturschutzakademie niedergelassen. Lost-Kenner dürften sich an die Dharma-Initiative erinnert fühlen.
Zu anderen Zeiten diente Vilm als Witwensitz der glorreichen Gräfin Sophie Wilhelmine zu Putbus, die hier das Frühjahr und den Sommer mit ihren Söhnen und Kühen, Schweinen und Pferden verbrachte.
Mitte des 19. Jahrhunderts dann wirkte die Insel auf viele Maler anziehend. Über dreihundert von ihnen bauten hier ihre Staffelei auf und wurden von Förster Witte mit Hasenbraten verköstigt. Dieser Jahre wird vom Spitzenkoch Knobloch Ostseeschnäpel und Boddenbarsch serviert, allerdings nur ausnahmsweise und auch nur für Prinz Charles, als der einmal auf der Insel nächtigte.
Privatmenschen ist das Privatbetreten der Insel untersagt, nur als geführter Tourist darf man auf einem festen Weg durch Goldrute, fette Henne, duftende Schlehen, mannshohen Adlerfarn wandeln, zwischen Wildobstbäumen, Wildrosen, Weißdornsträuchern. Die Natur wird sich selbst überlassen, etwa wie in einem Improvisationsfilm à la Blair Witch Project . Der Mensch spielt keine Rolle. Er darf nur zuschauen. Auf Schritt und Tritt muss er dem Werden und dem Sterben ins Auge schauen und darf nicht eingreifen, nichts in Ordnung bringen, kein Happy End konstruieren. Im Urwald auf Vilm gibt es siebzigmal mehr Totholz als im normalen Wald. Auch Bäume haben ein Schicksal, stürzen vom Steilufer kopfüber in den Tod oder verbleiben irgendwo wie ein Cliffhanger. Sie knicken ein, sie entwurzeln, sie wachsen und erblühen. Vilmbäume sind Stars zum Anfassen.
Die Tage, die Erich Honecker auf dem Honecker-Island verbrachte, kann man im Übrigen an einer Hand abzählen.
Places to see before you die
Darßer Weststrand
Auch wenn ich aus dem Entdeckerland Mecklenburg-Vorpommern stamme, so entdeckte ich dort den schönsten aller Strände doch erst mit neunzehn Jahren, als ich endlich bereit war, einen etwa sechs Kilometer langen Fußmarsch durch den Darßwald in Kauf zu nehmen, um an einen Strand zu gelangen, dem ich nicht zutraute, mehr herzumachen, als all die anderen Strände links und rechts neben ihm. Der Darßer Weststrand ist ausschließlich zu Fuß, zu Pferd oder per Rad zu erreichen. Ich schwöre: Jeder, der sich nicht davon abschrecken lässt, wird belohnt. Ein unwirklicher, urwüchsiger, auch gespenstischer Wald ist der Darßwald, moosig, moorig, aus knorrigen Buchen und bizarr geformten Kiefern, zu den Seiten Blaubeerbüsche, Wacholdersträucher und riesengroße Ameisenhaufen, die wie dicke fette Gnome am Wegesrand hocken. Es riecht nach Totholz, es knarzt und knackt und vor allem summt es (Mücken!!). Angeblich ist dieser Wald voller Schätze, die ein angespülter skandinavischer Troll hier versteckt haben soll. Er soll in Robin Hood’scher Mission unterwegs gewesen sein und betuchte Leute bestohlen haben. Den Weg zu den Schätzen verraten nachts die Glühwürmchen. Ich konnte diese Angabe nicht
Weitere Kostenlose Bücher