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Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich

Titel: Gebrauchsanweisung fuer Oesterreich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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basisdemokratischer Verhältnisse verströmen sollte. Die Umfragen — und damals meinte man, sich auf Umfragen noch verlassen zu können – bestätigten eine Bejahung der Österreicher zur Kernkraft. Aber plötzlich entbrannte eine Diskussion von jener Eindringlichkeit und Divergenz, wie man sie bei der Erstausstrahlung des »echten Wieners« erlebt hatte. Eine Diskussion, in der die Fachleute sich als unwissend und widersprüchlich erwiesen, sodaß jeder Österreicher sich selbst zum Spezialisten in Fragen der Kernkraft machte. Die Österreicher waren beim Atom angekommen. Jeder hatte das Gefühl, mit seiner Stimme über das Leben an sich abzustimmen, einerseits das Überleben im Falle eines möglichen Reaktorunfalls, aber gleichwohl über das Leben im Ganzen, ob man es in Würde oder Elend führen wolle, wobei diese Würde oder dieses Elend eben sehr unterschiedlich interpretiert wurden. Doch die Leute waren von einem solipsistischen Gefühl getrieben, als würde die eigene Stimme die einzig ausschlaggebende sein. Und genau so sollte ein Wähler ja empfinden.
    Jedenfalls geschah das niemals Gewollte, aber auch niemals Bedachte: Eine knappe Mehrheit sprach sich am 5. November 1978 gegen die Inbetriebnahme des zu diesem Zeitpunkt nicht einmal mehr nagelneu zu nennenden Kernkraftwerkes aus. Nicht weiter erstaunlich, daß die zuständigen Herren sich ein wenig beleidigt fühlten vom engstirnigen Wahlvolk, sich dann aber sagten, daß derartige Mißgeschicke geschehen würden, um sie wieder auszubürsten. Niemand von ihnen dachte ernsthaft an ein Aus für Zwentendorf. Zur Not würde man so lange diesbezügliche Volksabstimmungen durchführen, bis das Ergebnis paßte. Doch fatalerweise kam das Unglück von Tschernobyl dazwischen, und gleich darauf war Zwentendorf gestorben.
    Freilich ist das eine große Leiche, die da steht, eine Leiche, um die es still geworden ist. Welche allerdings als Organspender für deutsche Atommeiler dient, die der gleichen Familie angehören und zu den krankheitsanfälligsten ihrer Art gehören. Man nennt das genetische Disposition. — Es ist nun sehr zu hoffen, daß das Zwentendorfsche Objekt, so ausgeweidet es sein mag, im Bewußtsein Österreichs ebenfalls eine ornamentale Funktion erhalten wird. Kein Industriedenkmal wie anderswo, sondern ein Denkmal der österreichischen Eigenart, Dinge zu schaffen, um ihnen hernach den Nutzen abzusprechen. Man könnte dazu sagen: Mut zur Kunst.
    Das andere Kraftwerk, welches nicht in Betrieb genommen wurde, war das Wasserkraftwerk bei Hainburg, welches jedoch im Vorfeld seiner Nicht-Nutzung gar nicht erst erbaut worden war. So »unkünstlerisch« und »banal« dies im Vergleich zum Eins-zu-eins-Modell in Zwentendorf erscheinen mag, so kompliziert war der Weg zu dieser Lösung. Dazu nämlich erwies es sich als nötig, daß einige tausend Bürger im Winter 1984 jene weitläufige Auenlandschaft besetzten, die im Zuge der Kraftwerkserrichtung hätte überflutet werden sollen. Nun, es war ohnehin die Zeit, da viele Menschen die Natur für sich entdeckten und sei es auch nur aus der Ferne, was ja nicht das Schlechteste ist, die Natur quasi in Frieden zu lassen. Doch in der Au mußte dieser Frieden erst erstritten werden, wobei sich eine Koalition unterschiedlichster Gruppen bildete. Die Farbe Grün war bei den Linken wie bei den Rechten angekommen. Die Farbe Grün glühte, was den beiden Großparteien ordentlich auf die Nerven gehen mußte. Unangenehm war auch, daß als Galionsfigur der Au-Beschützer (wie schon im Falle der Verhinderung des AKWs Zwentendorf) der so überaus populäre, in seiner weißbärtigen Art liebevoll und weise wirkende, zudem von einem Nobelpreis glorifizierte Konrad Lorenz fungierte. (Den Nobelpreis für Lorenz haben die Österreicher, wie auch, erstaunlicherweise, den für Canetti, als einen Teil eigener Leistung, eigenen Verdienstes empfunden – jeder sein eigener Verhaltensforscher und sein eigener Großdenker. Es versteht sich, daß die Sache bei Elfriede Jelinek etwas anders lief. Diesen Nobelpreis haben viele Österreicher als einen Akt purer Bosheit zu durchschauen gemeint. Als einen schwedischen Hinterhalt, einen Höhepunkt weltweiter Österreichverschwörung. Man empfand es als ein raffiniertes Unterfangen, ausnahmsweise einen Österreicher nicht anzuschwärzen, sondern ganz im Gegenteil, ihn auszuzeichnen).
    Lorenz stellte seinen Namen sogar für ein gegen die Zerstörung der Au gerichtetes Volksbegehren zu Verfügung. Die

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