Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Spiel, vor allem eine: Lucie im fernen Berlin war für die monetären Details seines Lebens zuständig. Von seiner »Schnucke« erwartete er nicht nur die regelmäßige Belieferung mit den lebensnotwendigen Dingen, wie beispielsweise edle Gewürze und Tabak, sondern auch emotionale Großzügigkeit. Der Fürst pflegte enge Brieffreundschaften mit der ähnlich unkonventionellen Bettine von Arnim oder mit Kaiserin Augusta. Außerdem war er pausenlos verliebt, und zwar immer in andere Frauen. Und nur von einer ist bekannt, dass sie ihn abblitzen ließ: die Opernsängerin Henriette Sonntag. Als auch die Ehefrau in finanzielle Engpässe geriet, ließ Fürst Pückler sich, pragmatisch denkend, von ihr scheiden, um – mit ihrem Einverständnis – nach England zu reisen und eine flüssigere Dame an Land zu ziehen, was misslang. Allerdings wurden die Briefe, die er seiner geschiedenen Frau aus England schickte, unter dem Titel Briefe eines Verstorbenen zu einem der größten Bucherfolge des 19. Jahrhunderts.
Man könnte auch sagen: Kein Wunder, dass Fürst Pückler zu DDR-Zeiten verschwiegen wurde.
Huldigungen
Peter Joseph Lenné trieb aus der Beschränkung das Schöne hervor. Seine Pläne, das gesamte Havelland in einen großen, zusammenhängenden Landschaftsgarten zu verwandeln, wurden immer wieder von knickrigen Regierungsbeamten eingeschränkt. Potsdam umgab er dennoch mit grandiosen Gärten. Sacrow mit dem schlanken Kirchenbau am Wasser, Klein Glienicke, Babelsberg mit Schloss und in der Ferne die Pfaueninsel sehen vom Pomonatempel auf dem Pfingstberg aus, als hätte jemand von sehr weit oben einen gefälligen, begrünten Halbkreis um den Jungfernsee gezogen, nur dazu da, die Schönheit des diesseitigen Ufers im jenseitigen gespiegelt zu sehen. Im Park Sanssouci lüftete Lenné die alte Strenge des Barock mit geschwungenen Wegen und offenen Ausblicken, gerade Sichtachsen lockerte er mit verwunschenen Pfaden auf, in die spiegelförmigen Anlagen von Hecken und Terrassen brachte er Bewegung durch eine feinfühlige Anordnung wie zufällig gepflanzter Bäume und Büsche.
Wasserflächen verlängern die Bäume in die Tiefe, das Laub hängt flirrend in der verdoppelten Sonne. Der Neue Garten und der Wildpark betten Sanssouci in ihrer Mitte ein. Auch die mit Laubbäumen bewaldeten Havelufer gehen auf Lenné zurück. Nach Nordwesten und nach Süden führen sie aus der Stadt hinaus. In der einen Richtung gelangt man nach Marquardt oder Paretz, in die andere nach Caputh und Petzow. Am Ende landet man wieder im Park.
In Paretz verbrachte Friedrich Wilhelm III. mit seiner Frau Königin Luise in einem schlichten, lang gestreckten Schloss den Sommer. Der wild überwachsene Schlossgarten geht über in das kleine, im frühen 19. Jahrhundert zur Vervollständigung des Schlosses angelegte Dorf; ein stiller Rückzugsort des Königspaars, der nach Luises Tod vor sich hin dämmerte, schließlich verfiel und erst nach der Wende von Menschen aus Süddeutschland entdeckt und aufgemöbelt wurde, unter ihnen Helga von Breuninger, Erbin der Kaufhausdynastie.
Luise lebte nur vierunddreißig Jahre. Ihr sprühender Geist, ihr ausgefallener, exquisiter Stil machten sie zur Kultfrau Preußens. Dichter huldigten ihr, Mythen rankten sich um sie, endlich schien es eine Frau zu geben, die nicht nur die brandenburgische Härte, sondern auch Sanftmut besaß, kombiniert mit Schönheit, Witz und Intellekt. Sie war eine wichtige politische Beraterin. Ohne sie wären viele Reformen, die Preußen nach den napoleonischen Kriegen aus der Krise halfen, nicht auf den Weg gekommen. Kaum war sie tot, wurde sie zum Nationalmythos verklärt. Das begann mit der Verdrehung ihrer Todesursache. Dem Mythos zufolge starb sie nicht an Lungenkrebs, sondern – zur Stärkung des Nationalgefühls – an gebrochenem Herzen über Napoleons Sieg und das uneinige Preußen. Zu Lebzeiten noch war sie der Joker im politischen Spiel der Männer. Von ihrer Klugheit, aber auch von Charme und Silberkleid würde sich, so hoffte man, Napoleon erweichen lassen (umsonst gehofft). Jahrhunderte später ist Luise immer noch Kult. Coole Klamotten, Selbstständigkeit und Wärme trotz einer sagenhaften Menge von Geburten scheint sie zum tröstlichen Vorbild moderner Großstädterinnen zu machen, die sich vor der schwierigen Aufgabe sehen, zwischen Selbstverwirklichung und Karriere noch irgendwo ein Kind zu quetschen.
Fürst Pückler und Lenné. Luise und der Alte Fritz. Das sind die
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