Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Friedrichs Ruhm: der berühmteste Mann seiner Zeit nannte den König als Erster den Großen. Hartmut Dorgerloh, Direktor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, bezeichnet Voltaire folgerichtig als »Friedrichs CNN«, als »seinen genialen PR-Strategen«. In Sanssouci zeigte sich Friedrich entgegen seinem spartanischen Image übrigens in edelster Garderobe, mit ausgefallenem Schmuck und nach Orangenwasser duftend. An seiner Tafel ließ er teure Weine servieren.
Ansonsten frönte er im Potsdamer »Gartenhaus« seiner Leidenschaft zu Pagen und Hunden; Windspiele, die er bis in den Tod hinein begleiten wollte. Sein Wunsch nach einem nächtlichen Begräbnis neben den Hunden und ohne Pomp in Sanssouci wurde ihm erst 1991 erfüllt. Eskortiert von einer Ehrenwache der Bundeswehr – darunter sicher keine Frau – wurden die Gebeine unter einer schlichten Grabplatte auf der Terrasse neben dem Lust-Schloss beigesetzt.
Schlösser und Frauen
Ilse Bilse, jeder will se.
(Volksmund)
Frauen in die Uckermark! So schallte es vor wenigen Jahren aus dem deutschen Blätterwald. Einen ganzen Sommer las ich in der überregionalen Presse Artikel über kleine Orte in der Uckermark und der Prignitz, die wie Berichte aus Notstandsgebieten klangen: Auf fünf Männer in diesen Gebieten komme höchstens noch eine Frau. Die Frauen suchten sich Studium und Arbeit in den großen Städten, wanderten nach West-, Nord- oder Süddeutschland aus, sie gingen weg, sobald sie mit dem Abitur fertig seien, die Männer dagegen blieben. Man beglückwünschte nun nicht die klugen Frauen, die gemäß der allseits geforderten Flexibilität auch tatsächlich aufbrachen. Sondern man beweinte die Männer. Man befürchtete, die Männer, die ihren Kahn oder ihre Werkstatt nicht verlassen und weiter von ihrer Mutter bekocht werden wollten, würden im abgeschotteten Dunst aus Glotze, Bier und Langeweile langsam verkommen. Forscher wurden in diese notleidenden Gebiete entsandt, die Studien erstellten, in denen sie einen Zusammenhang zwischen der Abwesenheit des Weiblichen und dem Heraufziehen männlicher Aggressivität herausarbeiteten. »Männer ohne Frauen«, hieß es, »werden alkoholabhängig und rechtsradikal.« Gegen Ende des Sommers veränderten sich die Artikel. Wurde den Leserinnen zuvor noch subtil suggeriert, sie würden in der Uckermark wie Königinnen behandelt, rutschte der anspornende Tonfall nun in ein Betteln ab. Die Artikel bekamen einen so hysterischen Unterton, dass klar wurde: Hier handelt es sich zum ersten Mal in der deutschen Geschichte um Orte, in denen die Unterschicht nicht aus Migranten und Frauen, sondern aus deutschen Männern besteht. Deshalb war der Aufschrei groß. Sofort wurde vor der naturgewaltigen Aggressivität unbeweibter Männer gewarnt.
Im selben Sommer saß ich mit einem Schriftsteller aus Frankfurt am Main in einem amerikanischen Café in Berlin. Er erzählte mir von einem Ausflug nach Potsdam und ins Havelland, den er während der Siebzigerjahre gemacht hatte. Er war Mitte fünfzig, trug ein Tüchlein im Jackett, er war elegant, selbstsicher und erfolgreich. Die DDR hatte sich ihm unauslöschlich als ein Gebiet ins Gedächtnis gebrannt, in dem »Moder, Schimmel und Dunkelheit« herrschten. Mit dem »Schnee« habe ihn diese »fahle Landschaft« damals an »den Zweiten Weltkrieg erinnert«. Mich verwunderte das. Ich konnte mich nicht an »Moder«, »Schimmel« und »Dunkelheit« erinnern, in die nach dieser Theorie sowohl ich als auch viele der Männer im Notstandsgebiet hineingeboren worden wären, und während er so redete, kam mir kurz die Idee, ihn zu fragen, ob nicht er sich rettend in die Kampfzonen meiner Heimat begeben wolle.
Versauft sie!
Es war eine mutige Frau, die sich einst in wirklich gefährliche Sphären vorwagte. Sie zog sich die Uniform des Lützower Jägerkorps an. Sie hatte die Nase voll von der märkischen Armut, in der sie aufwuchs. Sie fand, dass es wichtigere Dinge zu tun gab, als ihrem Vater den Haushalt zu führen, und beschloss, in vorderster Linie gegen Napoleon in die Schlacht zu ziehen. Aus Eleonore Prochaska, einem Potsdamer Mädchen, das zur Zeit der napoleonischen Kriege aufwuchs, wurde August Renz, Trommler und Infanterist der preußischen Truppen, der allen voran die feindlichen Positionen stürmte. Und nachdem sie ein tödliches Kartätschengeschoss getroffen hatte, wurde Eleonore zur brandenburgischen Jeanne d’Arc. Ludwig van Beethoven war von ihr so beeindruckt, dass er
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