Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg
Moment die Sprache verschlägt und der Romantiker Gelegenheit hat, hastig ins Buschwerk abzutauchen, würden sie so für die Ewigkeit auf die Fotos der beiden Japaner gebannt, die mit eingeknickten Knien am laubbefallenen Ufer stehen und sich ganz postmodern gegenseitig beim Fotografieren im Park fotografieren.
Die Wahl
Auch wenn keine Spaziergänger unterwegs sind, weil ein Sturm das Wasser der aufschießenden Fontäne über die vom Blättermoder braun gefärbten Wiesen peitscht oder weil die letzten Ausläufer eines Gewitters noch über der Havel zucken, ist man in diesen Parks ständig in Begleitung. Lächelnd verzückte Gesichter, von Steinmetzen in Marmor gehauen, Satyre und Najaden, Karyatiden und Putten, Tondi mit Bacchantenköpfen, lockende oder strafende Götter, Fürstinnen und Herrscher zu Fuß oder Pferd stehen zwar am fremden Schicksal unbeteiligt, aber doch in verlässlicher Häufigkeit herum. Zuflucht bieten Laubengänge, Kolonnaden, Tempel, die mit ihrem gefälligen Gold der Zier wegen errichtet wurden, Pavillons oder Pagoden, und zwar unabhängig davon, ob man in einem der großen Parks unterwegs ist, durch den kleineren Schlosspark Meyenburg, den barocken Klostergarten Neuzelle oder den Lenné-Park Görlsdorf streift oder sich den Jugendstilgarten Herzberg oder den Gutspark Hoppenrade zum Spaziergang ausgesucht hat.
Es gibt so viele Parks, dass man nicht gezwungen ist, vom Badmintonspielen bis zum verliebten Mondscheinspaziergang alles in einem einzigen zu machen. Man kann den Park seinen Vorhaben und der aktuellen Gemütsverfassung entsprechend wählen, und manchmal gehen die Gemütsverfassungen und die Parks wunderbar beiläufig ineinander über. Ein wenig hängt die Wahl allerdings auch von der jeweiligen Parkordnung ab. In einigen ist das Liegen auf Wiesen erlaubt, in anderen darf man die Wiesen nur von der Vertikalen aus betrachten. Ich habe einen Park zum Joggen, einen Park zum Schlendern und Baden und einen zum Schwelgen. Keiner dieser Parks ist von meiner Haustür weiter als eine Viertelstunde entfernt.
Die Formulierung »Ich habe einen Park« deutet die enge Verbindung der Brandenburger zu ihren Parks an. Sie sind mit ihnen verwachsen. Sie betrachten die Parks als Teil ihrer selbst, sie sind Eigentümer der Parks, sofern man Eigentümer des eigenen Körpers sein kann. Sie lesen sie. Sie sind stolz auf sie. Sie sorgen sich um sie. Sie tragen sie mit sich herum. Im Winter rodeln, im Sommer radeln sie im Park. In den Mittagspausen werfen sie einen Blick hinein, um sicherzugehen, dass er noch da ist. Abends werden seine lauschigen Plätze zum besten Argument gegen das Fernsehprogramm. Bevor sie ruhig schlafen können, darf noch einmal der Hund das Aroma der Parkluft kosten. Und der morgendliche Weg zur Arbeit führt wieder durch den Park, um vom idealen Antlitz der Natur die eigene Stimmungslage abzuleiten. Blühen beispielsweise die Weidenkätzchen, wird es ein sanfter Tag voll Mitgefühl. Duftet es nach sonnenbeschienenen Weinblättern, wird der Tag feurig-fröhlich und endet auf der Terrasse eines Weinlokals. Schwappt dagegen Dosenmüll im künstlich angelegten Teich, wird es noch vor Mittag einen Zornesausbruch geben. Als die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten für die von ihnen verwalteten Parks Eintritt nehmen wollte, provozierte sie damit einen solchen Protest, dass klar war, hier geht es nicht um Geiz oder prekäre Verhältnisse der Parkbesucher. Hier geht es um tief sitzende Emotionen: Für die Parks zu bezahlen hätte nicht die Leute, sondern die Liebe ruiniert. Also entschied sich die Stiftung klug, Kostendefizite mit Spenden auszugleichen und stellte an den Parkeingängen Spendenautomaten auf.
Mein Blues
Der Blues der Parks klingt je nach Jahreszeit anders. Ich kenne den Sommer- und den Winterblues und natürlich den Herbstblues, in dem der Park versinkt, wenn die Morgennebel die Verbindung zwischen Teich und Baumkronen löschen oder wenn die Konturen der Bäume in der graublauen Einfärbung der Luft vage werden und das Licht jene Blässe hat, die von einer sehr entfernten Sonne kommt. Die Statuen sind unter Holzverschlägen verschwunden, Vorboten des Winters. Und wenn erst der Mond am frühen Abend den frostigen Saum der Bäume beleuchtet, wenn die Wiesen unter der Eisschicht krachen, wenn die Schlösser bloß liegen vor der entlaubten Kulisse, die Kuppeln noch goldener, der Schwung der Fassaden deutlich wie nie, wenn die Balustraden lange schmale Schatten werfen und
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