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Gebrauchsanweisung für Südengland

Gebrauchsanweisung für Südengland

Titel: Gebrauchsanweisung für Südengland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Kößling
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der Kasse führen. Doch der National Trust, seit 1967 Hüter des Schatzes, hat vorgesorgt und läßt Besucher nur in abgezählten Gruppen hinein: auf dem Ticket wird vorgegeben, wann man sich am Eingangstor einzufinden hat. Tolle Organisation, höre ich Sie sagen – nur daß der Trust nicht vorgibt, wie lange man verweilen darf, womit das Ganze seine potentielle preußische Effizienz verliert und wieder so richtig schön Englisch wird. Freunde des Schlangestehens kommen auch beim Restaurant Granary in der alten Scheune voll auf ihre Kosten, wo nur Touristen mit knurrendem Magen angesichts der Schlange Unmut zeigen. Engländer, die Weltmeister im geduldigen Schlangestehen, finden sich achselzuckend mit ihrem Schicksal ab und bewundern statt dessen die Aussicht und die alten Hopfenhäuser. Es kann auch niemand behaupten, er sei nicht gewarnt worden. Der National Trust weist in seinem Handbuch ausdrücklich auf mögliche Besuchermassen zu Stoßzeiten hin und verbietet im gleichen Atemzug Stative und Staffeleien im Garten. Da Engländer in der Regel nur ungern so deutliche Verbote aussprechen, kann man sich nur wundern, welche schlechten Erfahrungen mit Fotografen und Malern zu dieser strikten Vorgabe geführt haben mögen. Aber auch ohne Stativ ist Sissinghurst ein Paradies für Fotografen. Kaum ein Tourist, der nicht ständig mit der Kamera vor dem Auge herumläuft, glückselig auf den Auslöser drückt und dennoch flucht, weil ihm permanent irgendwelche Besucher ins Bild laufen.
    In seinem Gedicht »The Glory of The Garden« sagt Kipling:
     
     
     
     
    Oh Adam was a gardener, and God who made him sees
    That half a proper gardener’s work is done upon his knees.
     
     
     
     
    Eine Erkenntnis, der Harold Nicholson aus vollem Herzen zustimmt. In seinem Tagebuch schrieb er am 20. März 1932, zwei Jahre nach dem Kauf von Sissinghurst: »… wir jäten das Rittersporn-Beet … Es ist schon komisch. Eigentlich kann ich Jäten überhaupt nicht leiden. Mir steckt eine Erkältung in den Knochen. Ich kriege keinen Job und bin hoch verschuldet. Ich sehe keinen Ausweg aus unseren finanziellen Problemen. Und trotzdem sind Vita und ich so glücklich wie Lerchen zusammen.«
    Harold Nicholson und Vita Sackville-West kauften die Ruinen des einst stattlichen elisabethanischen Anwesens und verbrachten den Rest ihres Lebens damit, den Garten anzulegen, der noch heute so viele Menschen beeindruckt.
    An einem regnerischen Tag im April 1930 kam Vita Sackville- West nach Sissinghurst auf der Suche nach einem alten Haus mit Grundstück, das es ihr erlauben würde, einen neuen Garten anzulegen. Zwei Jahre lang hatte das Gebäude leer gestanden und auf einen Käufer gewartet. Aber für Vita war es Liebe auf den ersten Blick. Von dem einst stattlichen Anwesen aus dem
    16. Jahrhundert war nach wechselvoller Geschichte nicht viel übrig geblieben. Es hatte als Lager für über 3000 Kriegsgefangene dienen müssen und war jahrelang als Armenhaus geführt worden. Der einstige elisabethanische Glanz war weitgehend verblaßt. Es stand kaum noch mehr als der Turm und das alte Farmgebäude. Alles war in einem beklagenswerten Zustand. Nichts von dem konnte das Ehepaar schrecken: Nach nur drei Wochen waren die Verträge über Sissinghurst und 400 acres des umliegenden Farmlandes unterschrieben. Zwei Jahre später konnten sie endlich einziehen und nach fünf Jahren waren die Nicholsons endlich an die öffentliche Wasser- und Stromversorgung angeschlossen.
    Vita Sackville-West ist eine der bekanntesten Gärtnerinnen des 20. Jahrhunderts – dabei wollte sie doch eigentlich als Dichterin in die Geschichte eingehen. Ihren Ruf verdankte sie aber zu einem guten Teil ihrer exaltierten, mitunter ausschweifenden Lebensart: Würden Vita und Harold heute leben, sie wären mit Sicherheit Dauergäste in der Klatschpresse.
    1918, ein Jahr nach der Geburt ihres zweiten Sohnes, Nigel, entdeckte Vita, daß ihre wahre Liebe Frauen galt. Mit Violet Trefusis entwickelte sich eine leidenschaftliche Romanze. Die beiden Frauen flohen nach Frankreich, wo sie von ihren Ehemännern wieder abgeholt wurden. Vita hatte danach weitere Liebhaberinnen, darunter die Schriftstellerin Virginia Woolf, für deren Roman »Orlando« sie Modell stand, aber ihre Ehe wollte sie nie wieder aufs Spiel setzen. Harold Nicholson hatte seine eigene Homosexualität ihr gegenüber bereits zugegeben. Aber ihre kreative Gemeinschaft, basierend auf Freiheit, Ehrlichkeit und Vertrauen, war ihnen

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