Gebrauchsanweisung für Südengland
mehr als das bloße Anpflanzen einer Reihe von Büschen und verlangt Fachkenntnis und Pflege, die zeit- und arbeitsintensiv ist. In Kursen können auch Laien die richtige Anlage einer Hecke erlernen. Schlehdorn- und Hagedornpflanzen bilden die Grundlage. Ihre Äste müssen immer wieder in einem Winkel von 45° in eine Richtung gebogen und miteinander verwoben werden. So ist garantiert, daß im Frühjahr neuer Wuchs die Hecke ausfüllt und Vögeln, Insekten, Mäusen und Igeln Schutz und Lebensraum bietet.
Am Fuß der Hecken blühen im Frühling Millionen von gelben Wildprimeln, dazwischen wiegen Osterglocken im Wind hin und her. Im Frühsommer setzt wildwachsender Fingerhut farbige Akzente. Gräser, Wildblumen und Kräuter blühen, wachsen und gedeihen so, daß im Sommer die ohnehin schon schmalen country lanes zwischen der grünen Pracht fast verschwinden. Vereinzelte Bäume, oft uralte Teile der Hecke, werfen gesprenkelten Schatten, über den tiefblauen Himmel ziehen bauschige, weiße Wolken. Irgendwo blöken Schafe, rattert ein Traktor. Insekten surren. Das Meer schimmert zwischen zwei Hügeln hindurch am Horizont.
Südengland – wir sind angekommen.
Gartenleidenschaften
Das Leben geht geruhsam weiter in einer Welt, deren Rhythmus sich immer sinnloser und chaotischer beschleunigt – denn die Inselbewohner, diese seefahrenden Gärtner, pflegen am liebsten ihre Gärten, ohne sich um das Morgen zu kümmern. Sanft gleiten die Jahreszeiten ineinander, feuchtkühl und nur selten beklemmend schwül wie in einem Gewächshaus, so daß Rosen noch im Frühwinter unter dem pastellzarten Himmel blühen können und das Gras smaragdfarben leuchtet wie in keinem anderen Land.
Elisabeth Castonier, Mill Farm
England ist eines der wenigen Länder, in denen man als Landschaftsgestalter und Gärtner zu Berühmtheit gelangen kann – und das nicht nur auf einen kleinen Kreis von Fachleuten begrenzt. Nur hier haben Gärtner den Weg in Bücher über Geschichte und Lebensart und – was noch wichtiger ist – ins Allgemeinwissen der Nation gefunden. Im Zeitalter des Fernsehens sind sie omnipräsent, zur besten Sendezeit in den Wohnzimmern zu finden und werden für ihre Dienste von der Queen geadelt.
Als vor einigen Jahren Geoff Hamilton starb, trug ganz England Trauer. Geoff war der Gärtner der Nation. Er hatte die Sendung »BBC Gardeners’ World« moderiert, in zahlreichen Zeitungen und Zeitschriften über das richtige Hegen und Pflegen von Clematis, Kamelie & Co. geschrieben und erklärt, wie man den perfekten Gartenpfad und den alle Sinne ansprechenden Gartenteich anlegt. Seine Gartenhandbücher werden von Gärtnern wie Bibeln behandelt, seine Ratschläge sind Gesetz – kein Gärtner, der etwas auf sich hält, würde es heute noch wagen, benutzte Spaten dreckig und ungeölt wieder in den Schuppen zu stellen!
Geoff Hamilton war tot, doch seine Sendungen sollten weitergehen. Zu seinem Nachfolger wurde Alan Titchmarch auserwählt, lange Jahre ein Weg- und Pflanzgenosse Hamiltons. In zahlreichen Sendungen waren die beiden regelmäßig Seite an Seite in Gummistiefeln und schlammüberzogener Wachsjacke über den Bildschirm gestiefelt. Ein Mann, wie man ihn gerne als Nachbarn hätte, liebenswürdig, immer zu einem Schwatz aufgelegt, bodenständig. Jeden Freitagabend um halb neun kommt er in die Wohnzimmer der gartenbegeisterten Engländer (die Rede ist von der ganzen Nation), zeigt, wie man Osterglocken auf Wiesen in scheinbar zufälligen Gruppen pflanzt, damit alles natürlich und gottgewollt aussieht. Er führt in die Kunst des Rosenschneidens ein, verrät die Geheimnisse der Vermehrung von Fuchsien und nimmt die Fernsehzuschauer mit hinter die Kulissen berühmter, wunderschöner Gärten wie The Garden House in Buckland Monachorum (Devon) oder St. Michael’s Mount in Cornwall. Gezeigt werden Blumenrabatten, die einem Farbschema gewidmet sind, und gelungene Wasseranlagen von kleinen Brunnen bis hin zu künstlichen Bächen. Besonderes Lob erhalten Gärten mit all year interest, die vom 1. Januar bis zum
31. Dezember dem Auge Freude und der Seele Erbauung bieten. Nicht zu vergessen die Tips und Tricks, die das Gärtnerdasein einfacher machen und vor Unbill schützen sollen.
»BBC Gardeners’ World« ist aus der englischen Fernsehlandschaft genauso wenig wegzudenken wie die zu Kultstatus aufgestiegene Radiosendung »Gardeners’ Question Time«, deren Gärtner fast so berühmt sind wie Alan Titchmarch, der
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