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Gebrochene Schwingen

Gebrochene Schwingen

Titel: Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Küche gegangen.
    »Drake, Süßer«, säuselte Fanny, »ich bin deine Schwester Fanny, die, die dein Pa am liebsten gemocht hat.« Ehe Drake antworten konnte, riß sie ihn von seinem Stuhl, nahm ihn in die Arme und bedeckte sein Gesicht mit Küssen; dabei hinterließ sie auf seinen Wangen und seiner Stirn Spuren ihres Lippenstifts.
    »Du bist das getreue Abbild von ihm, genauso stattlich, wie er es war.«
    »Hallo, Fanny«, sagte ich leise. Sie trug ein ärmelloses, schwarzes Spitzenkleid mit einem gekräuselten Kragen. An Hüften und Busen saß es eine Nummer zu eng, aber von ihrer Schwangerschaft war noch keine Spur zu sehen – vielleicht nur eine kleine Rundung an der Taille. Auf dem Kopf trug sie einen breitkrempigen, schwarzen Strohhut. Ihre Haare waren am Hinterkopf aufgesteckt. Wie üblich war sie zu stark geschminkt – zuviel blauer Lidschatten und Rouge, der Lippenstift war zu grell.
    »Ach, hallo! Kannst Randall ruhig auch begrüßen«, verlangte sie, indem sie sich ihm zuwandte. Randall stand mit dem Hut in der Hand in der Küchentür und schaute hinein. Er trug einen gerade geschnittenen, dunkelbraunen Anzug und sah viel älter aus, als ich ihn in Erinnerung hatte. Das Leben mit Fanny läßt ihn schnell altern, dachte ich. Er lächelte schüchtern und nickte.
    »Hallo, Heaven«, sagte er. Er schaute Logan an. »Hallo, Logan.«
    Logan nickte einfach nur.
    »Ihr könntet etwas freundlicher sein«, sagte Fanny schnell.
    »Randall war immerhin so nett, mich auf dieser traurigen Reise zu begleiten«, fügte sie hinzu und hakte ihn mit dem rechten Arm unter; mit dem linken Arm hielt sie immer noch Drake umklammert. »Besonders in meinen Umständen«, fügte sie hinzu und grinste verschlagen.
    »Das ist sehr freundlich von ihm.« Ich ging nicht auf ihre Andeutung ein. Um Drake aus Fannys Fängen zu befreien, sagte ich zu Logan: »Wolltest du Drake nicht etwas zu essen geben?«
    »Ja. Natürlich. Sein Sandwich ist fertig.« Logan gewann plötzlich seine Fassung wieder, die er beim Auftauchen von Fanny verloren hatte, und stellte einen Teller auf den Tisch.
    »Ich habe ihm auch einen Kakao gemacht. Das wolltest du doch, nicht wahr, Drake?« Drake nickte, und Fanny brachte ihn widerstrebend an seinen Platz.
    »So«, sagte sie, »ihr habt den Platz ja wohl schon leergeräumt.«
    »Hier gibt es nichts, Fanny«, sagte ich kühl. »Jedenfalls nichts Wertvolles. Alles, was Stacie und Luke gehört hat, kommt in einen Fonds für Drake. Ein Rechtsanwalt arbeitet das schon aus.«
    »Dann habe ich also recht«, schnaubte sie. »Ich wußte doch, daß die alles weggeräumt haben, ehe wir ankommen«, sagte sie zu Randall.
    »Wir haben nichts weggeräumt, Fanny. Es war alles schon in Bewegung gesetzt, ehe wir hier ankamen. Die Anweisungen waren bereits erteilt worden«, erklärte ich. Ich erwähnte nicht, daß die Anweisungen von Tony waren. Schließlich wußte ich ja selbst nicht, welche Rolle er hier spielte.
    »Was ist mit der Beerdigung und so?«
    »Die Beerdigung ist morgen um elf.«
    »Zahlst du dafür?«
    »Dafür ist gesorgt, Fanny«, wiederholte ich.
    »Übernachtet ihr hier?« fragte sie und schaute dabei Logan an. Er vermied es, sie anzusehen, indem er geschäftig die Milch und die Erdnußbutter forträumte.
    »Nein, wir übernachten in einem Hotel in Atlanta«, erwiderte ich. Fanny sollte wissen, daß sie in diesem Fall mit mir zu tun hatte, nicht mit Logan. »Aber du kannst hier bleiben und das Haus durchsuchen. Nimm nur mit, was dir gefällt – wenn du das willst.«
    »Nun, er war mein Pa. Mich liebte er am meisten. Es ist schließlich mein gutes Recht, oder?« erklärte sie trotzig.
    »Natürlich«, antwortete ich sanft. »Hier sind die Schlüssel vom Haus. Du kannst sie uns morgen wiedergeben, damit wir sie dem Anwalt aushändigen können, der sich um das Anwesen kümmert.« Ich gab ihr die Schlüssel, und sie schaute mich überrascht an.
    »Was ist mit Drake?« fragte sie und wandte sich ihm zu.
    »Willst du hier bei Randall und mir bleiben, Drake, Süßer? Du kannst dann morgen mit uns zu der Beerdigung fahren.«
    »Ich gehe in ein Hotel«, sagte er, »dann fliege ich mit dem Flugzeug. Und dann fahren wir zu einer Spielzeugfabrik.«
    »So?« Sie schaute mich an. »Du nimmst ihn also mit in dieses Schloß?«
    »Er kommt mit uns, ja. Wir geben ihm ein Zuhause.«
    Sie schaute mich einen Moment lang mit seltsam leeren Augen an. Es war, als hätte sie jedes Gefühl einfach ausgeschaltet. Das hatte ich bei ihr

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