Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gebrochene Schwingen

Gebrochene Schwingen

Titel: Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
Vom Netzwerk:
noch nie gesehen. Dann wandte sie sich wieder an Drake. »Nun, Süßer, möchtest du heute nacht nicht lieber in deinem eigenen Bett schlafen?«
    »Du verwirrst ihn, Fanny«, unterbrach ich sie. »Er hat heute schon genug Aufregung gehabt. Es ist besser, wenn er etwas zur Ruhe kommt.« Sie drehte sich zu mir um, nun mit der für sie typischen Fanny-Wut in den Augen.
    »Ich verwirre ihn nicht.«
    »Sie hat recht«, sagte Randall vorsichtig. Die Worte schienen ihn selbst zu überraschen, aber Drakes Anblick hatte ihn dazu veranlaßt. Im gleichen Augenblick merkte er aber auch, daß er damit Fannys Wut auf sich lenkte.
    »Natürlich, du sagst also, sie hat recht«, schimpfte Fanny.
    »Du wirst jetzt wohl immer ihre Partei ergreifen gegen mich, ja?«
    »Komm, Fanny«, sagte er in bittendem Tonfall, »laß uns in ein Restaurant gehen und etwas essen. Wir kommen später zurück.«
    Sie starrte mich haßerfüllt an, dann wurde ihr Gesicht weich, und sie legte ihr strahlendstes Lächeln auf.
    »Das ist eine gute Idee, Randall. Ich war so aufgeregt wegen Pa, ich konnte gar nicht an Essen denken. Aber ich muß ja jetzt für zwei essen, nicht wahr, Heaven?« fragte sie, schaute aber Logan an. »Wir haben nicht gegessen, seit wir in Winnerow losgefahren sind, oder, Randall?«
    »Nein«, stimmte Randall zu, der offensichtlich durch die Spannung zwischen Logan und Fanny etwas verwirrt war.
    »Möchtest du mitkommen in ein Restaurant, Drake, Süßer?«
    fragte sie.
    »Fanny, du siehst doch, daß er gerade etwas ißt.«
    »Sandwich.« Sie legte die Hand auf seine Stirn und strich ihm über das Haar. »Du möchtest doch viel lieber in ein Restaurant, nicht wahr, Drake, Kleiner?«
    »Ich bin nicht klein«, sagte er und entzog sich ihrer Hand.
    »Ja, ich meinte auch nicht, daß du klein bist, Süßer.«
    »Fanny, laß uns gehen«, bat Randall. »Wir kommen später wieder.«
    »In Ordnung«, sagte sie kurz und lächelte wieder. »Wir sehen uns dann später.« Sie beugte sich zu Drake hinunter und küßte ihn auf die Wange. »Genauso stattlich wie dein Daddy.« Als sie mit Randall losging, blickte er ihr nach.
    »Wir sehen uns dann morgen in der Kirche«, sagte ich kalt.
    »O Gott, das hätte ich jetzt fast vergessen«, erwiderte Fanny.
    »Der arme Luke.« Sie hakte sich bei Randall ein. »Wie ich es hasse, daran erinnert zu werden. Leih mir doch noch einmal dein Taschentuch, Randall«, seufzte sie, betupfte zart ihre Augen und senkte den Kopf.
    »Bis später«, sagte Randall.
    In dem Augenblick, in dem er und Fanny das Haus verlassen hatten, holte ich tief Luft und versuchte die Wut zu bändigen, in die Fanny mich versetzt hatte. Ich schaute Logan an, der einen schuldbewußten, traurigen Eindruck machte.
    »Ich bringe die Sachen von Drake ins Auto«, sagte er. »Dann können wir aufbrechen, sobald er mit dem Essen fertig ist.«
    Ich nickte. Dann setzte ich mich an den Tisch und entfernte Fannys Lippenstiftspuren aus Drakes Gesicht.
    Am nächsten Morgen betraten wir zusammen mit Drake die Kirche. Er hielt sich an uns fest, und wir sahen aus wie eine richtige Familie. Die Angestellten von Lukes Zirkus füllten die kleine Kirche restlos aus: Es waren Riesen und Zwerge; eine Frau mit Bart in einem langen, schwarzen Kleid; Dompteure mit langen Haaren, die wie Rocksänger aussahen, die Bodybuilding betrieben; Akrobaten, die sich im völligen Einklang bewegten und daher wie zusammengewachsen wirkten; einige gut zurechtgemachte Frauen, die sicherlich die Assistentinnen von Zauberern waren; der Ansager und einige Geschäftsleute in formellen Anzügen; Clowns mit faltigen Gesichtern, die so traurig wirkten, als hätten sie ihre Clownsgesichter heute traurig geschminkt.
    Sie alle kannten Drake, und als sie ihn erblickten, ging ein Seufzer durch die Menge, und alle brachen in Tränen aus. Wir gingen vor zur ersten Reihe und setzten uns den Särgen direkt gegenüber.
    »Kommen Mommy und Daddy auch?« fragte Drake und schaute sich mit seinen großen, dunklen Augen angstvoll um.
    Ich hatte das Gefühl, mir müsse das Herz zerspringen.
    »Dies hier ist ein besonderer Platz, an dem du deinem Daddy und deiner Mommy ›Auf Wiedersehen‹ sagen kannst«, sagte ich und nahm ihn in die Arme.
    Er blickte auf das bleiverglaste Fenster und dann auf die Kerzen, die neben den beiden Särgen standen. Die Frau mit dem Bart ging gerade zu Lukes Sarg, beugte sich darüber und legte hemmungslos weinend eine Rose darauf nieder.
    »Er war so gut zu mir«, flüsterte sie

Weitere Kostenlose Bücher