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Gebrochene Schwingen

Gebrochene Schwingen

Titel: Gebrochene Schwingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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Überzeugungen und Rituale von seinen Vorfahren, den Sklaven, geerbt.
    »Ich freue mich, Sie zu sehen, Miss Heaven«, sagte er, »aber einen kurzen Moment lang glaubte ich, ich sähe einen Geist.«
    Er hatte mir immer erzählt, wie gern er meine Mutter gemocht hatte. Nun, da mein Haar die gleiche Farbe hatte wie einst ihres, war auch er darüber überrascht, wie ähnlich ich ihr sah.
    »Erzähl mir doch nicht, daß es immer noch Geister gibt auf Farthy«, neckte ich ihn. Er verzog keine Miene. »Hast du meinen Mann oder Tony gesehen, Rye? Sie haben sich doch sicher nicht über Nacht in Geister verwandelt?«
    »Ja, Miss Heaven, sie sind vor einer Stunde aufgebrochen, ganz aufgeregt, weil Master Tony Mr. Logan die Fabrik zeigen wollte. Master Tony ist richtig begeistert von diesem neuen Mann von Ihnen, nicht wahr, Heaven?«
    »Es sieht ganz so aus«, sagte ich ruhig und merkte, daß ich mehr Angst hatte, als man sich vorstellen konnte. Aber ich wollte nicht, daß Rye Whiskey mir meine Sorgen ansah, und so kam ich auf sein Lieblingsthema zurück. »Und welche Geister hast du zuletzt gesehen? Tonys Ur-Ur-Urgroßvater oder seine Urgroßmutter?«
    »Sprechen Sie nicht so über die Verblichenen, Miss Heaven.
    Wenn Sie ihre sorgenvolle Vergangenheit aufwühlen, stören Sie ihren Schlaf, und sie werden Sie verfolgen. Auch ich werde in diesen Tagen verfolgt«, fügte er hinzu.
    Ich zweifelte nicht daran, daß Rye wußte, wo die Geister und Gespenster in Farthy hausten. Aber wie alle alten, treuen Dienstboten der Familie behielt er seine Geheimnisse für sich.
    Er war genauso diskret wie die alten Familienporträts – er sah und hörte alles, aber er sagte nichts.
    »Du siehst aber trotzdem recht gut aus«, sagte ich. Zwar hatte er ein bißchen zugenommen, und sein grauer Haaransatz war ein wenig weiter zurückgegangen, aber sonst sah er nicht viel anders aus als an dem Tag, an dem ich fortgegangen war. Er war schon Ende Sechzig, aber er sah nicht älter aus als Mitte Fünfzig.
    »Vielen Dank, Miss Heaven. Aber«, sagte er und zwinkerte mir zu, »ich tue ja auch was für meine Schönheit.«
    »Und nimmst du immer noch hin und wieder ein Schlückchen?«
    »Nur gegen die Schlangen, Miss Heaven. Und wissen Sie was?«
    »Sie haben mich noch nie gebissen«, sagte ich im selben Moment wie er, und wir lachten.
    »Das wird ein großes Fest morgen für Sie und Ihren Mann.
    Ich freue mich darauf. Farthy braucht ein bißchen Glück, braucht Menschen und Musik. Ich bin froh, daß Sie da sind, Miss Heaven, wirklich.«
    »Danke, Rye.« Wir sprachen noch über die Vorbereitungen, dann ließ ich ihn allein.
    Allein am Tisch zu essen mit Curtis neben mir, der mir jeden Bissen vorlegte, ließ die Erinnerungen aufsteigen. Selbst als es Jillian noch gut ging, hatte ich allein gefrühstückt. Nun war ich eine verheiratete Frau, ganz anders als damals das ängstliche, verletzliche Mädchen, das vor Curtis Angst hatte und nicht einmal wußte, wie man sich einem Dienstboten gegenüber verhielt. Oh, ich hatte es gelernt, wie sich die Reichen benehmen. Aber das verängstigte, kleine Mädchen lebte in mir weiter, war immer noch eingeschüchtert von Farthy und seiner Macht.
    Es war ein heller Sommertag ohne eine einzige Wolke am türkis leuchtenden Himmel, und ich beschloß, trotz allem den Tag zu genießen. Nach dem Frühstück ging ich nach draußen.
    Vom Ozean her wehte eine leichte Brise, und es würde nicht zu heiß werden. Ich sog den frischen Duft des Meeres tief in mich hinein und trat hinaus in das Sonnenlicht.
    Draußen herrschte bereits lebhafte Aktivität. Die Gärtner trimmten noch ein letztes Mal die üppigen grünen Wiesen und schnitten die Hecken in herrliche kunstvolle Figuren wie Löwen, Zebras und geheimnisvolle Fabeltiere. Ein knallrotes, riesiges Zirkuszelt, größer, als Pa es jemals besitzen würde, wurde gerade auf der Wiese vor dem Haus aufgestellt. Eine Bühne für das Orchester, groß genug für das Bostoner Symphonieorchester, stand vor dem tiefen Swimmingpool.
    Wagenladungen von weißen, geschmiedeten Tischen und Bänken wurden um das Zelt herum verteilt. Ich sah, daß Tony die wunderbaren Blumenbeete mit gelben, roten und weißen Rosen, mit blutrotem Mohn und elegantem blauen Rittersporn nicht genügt hatten und er noch zusätzliche ovale und hufeisenförmige Blumenkörbe bestellt hatte, die von jedem geeigneten Pfosten und Pfeiler herabhingen. Die Worte: Herzlichen Glückwunsch waren aus roten Rosen gebildet und sollten in

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