Gebrochene Schwingen
Hochzeit bin ich in Winnerow gewesen. Ich hatte mich verkleidet und stand tatsächlich im Drugstore von Logans Eltern. So konnte ich die Unterhaltung hören und erfuhr auf diese Weise von deiner Verlobung. Dann drehte ich mich um und ging. Anstatt weiterhin incognito herumzureisen, beschloß ich, zur Hütte zurückzukehren und dort meine Tage zu beschließen. Seither bin ich hier.
Deinen Hochzeitsempfang in Farthy habe ich gesehen, denn ich stand heimlich hinter einer der Hecken im Labyrinth. Du hast so schön ausgesehen, und Tony sah sehr glücklich aus. Ich bin sogar dir und Logan über das Grundstück gefolgt, als ihr eure Flitterwochen dort verlebt habt. Von weitem habe ich euch nachspioniert und dabei geträumt, daß ich derjenige sei, der dich in seinen Armen hält; ich war es, den du geküßt hast.
Eine Zeitlang war meine Phantasie so lebhaft, daß ich dich förmlich neben mir fühlte. Das war falsch; ich weiß es«, sagte er schnell. »Aber bitte vergib mir. Ich konnte nicht anders.«
»Natürlich vergebe ich dir. Ich kann mir vorstellen, wie schlimm das Zusehen für dich gewesen sein muß, ohne daß ich dich bemerkt habe.« Oh, mein Troy, der zusehen mußte, wie ich Logan heiratete! Ich konnte es nicht ertragen, mir das vorzustellen.
»Es war hart, unerträglich hart.« Seine dunklen Augen blitzten das erste Mal vor Leben und Licht. »Ich wollte doch, daß du mich siehst; ich versuchte, Mut für diesen Augenblick zu schöpfen«, sagte er. »Gestern nacht bin ich, da ich wußte, daß Logan nicht hier war, zu deinem Zimmer gegangen, nachdem du mit Tony von irgendwoher wiedergekommen bist.«
»Ich habe letzte Nacht etwas gespürt, obwohl ich nicht wußte, daß du es warst. Ich bin aufgewacht und habe aufgeschrien, weil ich die Silhouette eines Körpers in der Dunkelheit wahrnehmen konnte.«
Er starrte mich einen Augenblick lang an.
»Warum bist du heute hierher gekommen?« fragte er leise.
»Hast du angenommen, daß ich es sein könnte?«
»Nein. Ich war zwar wie hypnotisiert, aber ich ahnte nicht, daß ich dich vorfinden würde. Als mir klar wurde, daß sich hier jemand aufhielt, dachte ich, es sei jemand, den Tony angestellt hätte, um hier zu arbeiten. Ich dachte, er hätte mich angelogen, und ich wollte diese Person stellen. Dann hatte ich plötzlich den Eindruck, als ob ich in der Gegenwart von etwas Übernatürlichem, vielleicht eines Geistes, sei.«
»Ich bin kein Geist, Heaven. Nicht mehr.« Er setzte sich zurück und blickte mich unverwandt an. »Du hast dich verändert, bist älter geworden, weiser. Deine Schönheit ist gereift. Daß ich dir jetzt so nah bin, daß ich sogar deine Stimme höre, läßt mich erzittern.«
Er beugte sich vor und streckte den Arm aus, um mein Gesicht zu berühren. Ich blieb unbeweglich sitzen, aber ich fühlte seine Finger nicht auf meiner Haut. Langsam lehnte er sich zurück.
»Ich fühle mich wie ein kleiner Junge, der vom Feuer fasziniert ist und es anfassen will, obwohl ich weiß, daß mir dies nichts als Schmerz einbringt.«
»O Troy«, sagte ich. Warme Tränen quollen mir aus den Augenwinkeln und flossen über mein Gesicht. Er streckte erneut den Arm nach mir aus, und dieses Mal fühlte ich genau, wie seine Fingerspitzen meine Haut streichelten. Ich schloß die Augen.
»Wie oft ist es möglich, dich zu verlieren, Heaven? Versucht das Schicksal, mich auch auf diese Art zu quälen?«
Ich lehnte mich im Stuhl zurück, unfähig zu sprechen. Er reichte mir ein Taschentuch, und ich betupfte mein Gesicht damit. Mein Schniefen rief ein Lächeln auf seinen Lippen hervor und dann ein kleines, liebevolles Auflachen. Ich schüttelte den Kopf, als mir bewußt wurde, was all dies bedeutete.
»Komm ins Wohnzimmer«, sagte er, »da ist es gemütlicher.«
Ich nickte und ging zur Couch hinüber. Genau wie früher streckte er sich auf dem Teppich aus, verschränkte die Arme unter dem Kopf und schaute zu mir hoch.
»Troy«, sagte ich und schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht glauben, daß dies alles kein Traum ist, daß du dort wirklich liegst und zu mir aufschaust in genau der gleichen Art wie damals.«
»Ich weiß.«
»Wann hat Tony erfahren, daß du noch lebst?« fragte ich.
»Eigentlich erst vor kurzem. Ich war überrascht, als ich bei meiner Rückkehr die Hütte genau so vorfand, wie ich sie verlassen hatte. Da begriff ich, daß Tony sich weigerte, meinen Tod zu akzeptieren. Wie ironisch, dachte ich, und natürlich konnte ich nun verstehen, wieviel Schmerz ich
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