Gebrochene Versprechen
ihr.
»Es scheint, als würden alle, die … mir etwas bedeuten, sterben«, ergänzte sie und in ihren Augen glänzte es verdächtig.
Er bedeutete ihr also etwas. Ihr Geständnis überraschte ihn. »Ich bin ja noch da«, sagte er. Ihre Blicke trafen sich und sie schauten einander eine Zeit lang an. Ihm wurde bewusst, dass sein Beinaheabgang sie enger zusammengeschweißt, sie zu Freunden und sogar Vertrauten gemacht hatte. Ihre Beziehung zueinander ähnelte nun jener zu seinen Kameraden.
»Ich habe deine Tätowierungen gesehen«, gestand Hannah und lächelte unversehens. »Sie mussten dir in der Notaufnahme den Taucheranzug vom Leib schneiden.«
Auf der Rückseite seiner Unterschenkel standen zwei Worte in arabischen Schriftzeichen geschrieben, was bedeutete, dass er auf dem Bauch gelegen hatte, als seine Ausrüstung entfernt worden war. Er fragte sich, was sie noch gesehen hatte.
»Was steht da?«, drängte sie.
»Liberty und Justice.« Das Bekenntnis band sie noch fester aneinander.
»Die Namen deiner Schwestern.«
Er freute sich, dass sie sich daran erinnerte. »Ich hab mir die Tätowierungen vor der Operation Iraqui Freedom stechen lassen. Für den Fall, dass es zum Schlimmsten kommen würde. Der Feind sollte wissen, wofür ich kämpfte.«
Ihre Miene hellte sich auf und ihre Gesichtszüge wurden weicher. »Es ist kaum zu übersehen, wofür du kämpfst, Luther«, entgegnete sie.
Er fühlte sich, als hätte sie sein Innerstes berührt und seine Seele gestreichelt. Das war bis jetzt keinem seiner Kameraden gelungen. Er räusperte sich und versuchte das Gespräch verzweifelt in andere Bahnen zu lenken. »Du hast uns letzte Nacht mit deinen Schießkünsten das Leben gerettet.«
»Ich bin, ebenso wie du, dafür ausgebildet worden«, gab sie zurück.
Er hielt kurz inne und erinnerte sich. Richtig. Sie war von der CIA zur Nachrichtensoffizierin ausgebildet worden. Und sie konnte nicht die nächste Frau in seinem Leben sein, weil sie nach Übersee gehen würde, in irgendein schäbiges, kleines Land, wo sie, um Informationen zu sammeln, ihren Charme, ihren Witz und, ja, womöglich auch ihren Körper einsetzen musste.
Warum also ließ er diese zärtlichen Gefühle zu, die ihn innerlich so aufwühlten? Sie waren bloß Zeitverschwendung.
»Also, Sir.« Westy kam herein und riss Luther aus seinen wirren Gedanken. »Das Essen ist zwar noch nicht fertig, aber es war noch was vom Frühstück da, das ich für Sie habe aufwärmen lassen.« Er stellte ein Tablett mit Rührei, Würstchen, Toast, Maisgrütze und drei Tetrapaks voll Milch auf das Nachtschränkchen an Luthers Bett.
»Danke, Chief. Das ist super.«
Westy schob den Rolltisch näher. Da in seiner linken Hand die Kanüle steckte, griff Luther etwas ungelenk nach der Gabel, spießte ein Frühstückswürstchen damit auf und schob es sich in den Mund, während Hannah und Westy neben ihm standen und ihm dabei zusahen. »Warum geht ihr zwei nicht auch was essen und sucht euch eine Unterkunft?«, schlug er dann vor und schnappte sich Würstchen Nummer zwei. Als er jedoch das Bild vor Augen hatte, wie Hannah und Westy ein und dasselbe Zimmer miteinander teilten, fügte er eifersüchtig hinzu: »Zum Schlafen natürlich.«
Westy zeigte sein fieses, kleines Grinsen. »Ja, Sir.« Dann zog er einen Umschlag aus der Hemdtasche. »Sollte Valentino hier aufkreuzen, können Sie ihm diese Abzüge von unseren Fotos geben. Die Originaldateien habe ich auf einer CD gespeichert.« Er legte das Kuvert auf den Nachttisch neben Luthers Bett.
»Gute Idee.« Der Chief nickte. Das Letzte, was sie nun gebrauchen konnten, war, dass Valentino ihre Beweise unterschlug, um seine eigenen Ermittlungen nicht zu gefährden. »Irgendwann heute Abend müssen wir aber dennoch aufbrechen«, ergänzte er.
»Bist du sicher, überhaupt dazu in der Lage zu sein?«, fragte Hannah skeptisch.
»Mir bleibt nichts anderes übrig«, konterte Luther. »Wenn wir die Anhörung verpassen, landet Jaguars Fall vor dem Militärgericht. Und das dürfen wir nicht zulassen.«
»Ich werde sofort anrufen«, versprach Westy. »Das Handy liegt noch in meinem Wagen. Ruhen Sie sich aus, Sir.« Plötzlich wurde er hektisch und drängte Hannah zur Zimmertür.
Beim Hinausgehen drehte sie sich noch einmal um und Luther fragte sich, ob er in ihrem Blick Bedauern oder Besorgnis lesen konnte. Doch das war schwer zu sagen mit dieser verflixten Brille auf der Nase.
Nicht, dass es wichtig gewesen wäre.
Also beendete der
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