Gebrochene Versprechen
müssen.«
Luther schaute zur Seite und bemerkte Hannahs vielsagenden Blick. Er wusste genau, was in ihrem Kopf vor sich ging. Sie dachte daran, dass Jaguars Schicksal in den Händen dieses gestressten Lieutenant Commanders lag.
»Tun Sie einfach Ihr Bestes, Ma’am«, brachte er ein. »Und sagen Sie uns bitte Bescheid, wenn wir irgendwie helfen können.«
»Sie haben schon genug getan«, bekannte die Verteidigerin, schichtete ihre Beweismittel zu ordentlichen Stapeln auf und lächelte den Anwesenden etwas gezwungen zu. »Wir sehen uns dann morgen früh vor Prozessbeginn«, schloss sie schließlich. »Seien Sie bitte um sieben Uhr hier.«
»Ja, Ma’am«, gab Luther salutierend zurück.
Die Frau war so überreizt, dass sie vergaß, sich zu verabschieden.
Das Trio verließ ihr Büro und marschierte Richtung Ausgang. Beim Pförtner bekam Luther sein Handy wieder ausgehändigt, das er nicht hatte mit hineinnehmen dürfen. Als er es einschaltete, sah er, dass er eine neue Nachricht bekommen hatte.
Während Westy ihnen die Tür aufhielt, hörte Luther seine Mailbox ab und blieb plötzlich wie angewurzelt auf der Vordertreppe stehen. Er nahm die Sonne wahr, die warm auf seine Schultern schien, den Duft von frisch gemähtem Rasen, der sich mit dem Geruch, der von der Burger-King-Filiale des Stützpunkts ausging, vermischte. Doch sein Verstand wollte das eben Gehörte nicht verarbeiten.
»Was ist los?«, fragte Hannah und drehte sich zu ihm herum.
Und auch Westy sah ihn aufmerksam an. »Sir?«, fragte er und trat näher.
»Valentino ist in seinem Apartment angegriffen worden«, berichtete Luther. »Er liegt im Inova Fairfax Hospital. Sein Zustand ist kritisch.«
»Nein wirklich?« Westy schnaubte.
»Und ratet mal, wer ihn überfallen hat«, fügte Luther hinzu und gewann langsam seine Fassung wieder.
»Obradovic«, knurrte Westy.
»Bingo! Valentino hat das Feuer erwidert und ihn verwundet. Als der Killer dann über den Balkon türmen wollte, ist er zu Tode gestürzt.«
»Hundesohn«, fluchte Westy.
Hannah sagte nichts. Sie wirkte wie betäubt, nicht aufnahmefähig.
Luther blickte Westy an und erwartete seine Version der Geschichte. »Was zur Hölle geht da vor sich, Chief?«
Westy schüttelte nur den Kopf. »Vielleicht wollte Westmoreland Valentino loswerden.«
»Vielleicht.« Aber diese Erklärung stellte Luther nicht zufrieden. Er wandte sich Hannah zu. »Geht’s dir gut?«
Sie nickte und schlang die Arme um ihren Oberkörper. Wider besseres Wissen legte er einen Arm um sie. Hannah akzeptierte die tröstliche Geste und schmiegte sich widerspruchslos an ihn.
Es fühlte sich gut an, sie wieder im Arm zu halten, dachte Luther, hob die Hand des anderen Arms vor die Augen und hielt auf dem Parkplatz nach dem Winnebago Ausschau. Er dankte Gott für Newmans Leibwächter, wollte dies allerdings nicht laut aussprechen, um Hannah nicht noch mehr aus der Fassung zu bringen, als er es bereits getan hatte. Insgeheim hegte er jedoch den niederschmetternden Verdacht, dass ihnen das Individuum noch mehr Kopfzerbrechen bereiten würde.
Sebastian zog an der Tür zu Leilas Tanzstudio und stellte irritiert fest, dass sie nicht abgeschlossen war. Er trat ein und löste damit die elektrische Türglocke aus, die eine bekannte Melodie aus dem Ballett Der Nussknacker spielte. Leila, die gerade Geld zählte, blickte von ihrer Registrierkasse auf.
Geld zählen … Bei unverschlossener Tür …
Ungläubig blieb er stehen und bemerkte, wie seine gewohnte Selbstbeherrschung von einer Lawine aus Zorn, Panik und Verzweiflung erschüttert zu werden drohte. »Die Tür war offen«, erklärte er, während sie innehielt und ihn fragend ansah.
»Ja, ich habe dich erwartet.« Seit ihrem Anruf am Nachmittag, als sie ihm die Neuigkeit mitgeteilt hatte, sie habe Jason Millers Brief gefunden, war sie davon ausgegangen, dass er kommen würde.
»Und wenn nicht ich es gewesen wäre?«, entgegnete er, ließ die Tür hinter sich zufallen und schloss ab.
Ihr fragender Blick verschwand. Misstrauisch schaute sie ihn an, während er sich schweigend an sie heranpirschte. Seine innere Unruhe und Wut nahmen zu, in ihm brodelte es wie Lava.
»Was soll das heißen?«, fragte sie, als er wortlos um die Ladentheke herumkam. »Was hast du vor?«
»Was«, entgegnete er, ohne sie aus den Augen zu lassen, »wenn ich ein sehr verzweifelter Mann wäre, derselbe, der neulich Abend den Laden zwei Häuser weiter ausgeraubt hat?« Ohne Vorwarnung schnappte er
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