Geburtstag in Florenz
inne. Nirgends auch nur der kleinste Kratzer. Die Hände schlank, aber mit kräftigen Sehnen. Der Maresciallo stellte sich vor, wie diese Hände Celia Carters Kopf untertauchten, obgleich er wußte, daß er es nicht getan haben konnte, nicht ohne eine Schramme davonzutragen.
Säuglinge ersticken so. Wehrlose Babys, die den Kopf nicht heben können … Warum hätte Celia Carter wehrlos sein sollen?
Den Blick immer noch auf die sehnigen Hände gerichtet, sagte er: »Ihr Vorgänger …«
»Vorgänger? Was soll denn das heißen?«
»Sie sagten doch eben, Ihre Frau sei schon einmal verheiratet gewesen. Und das Kind hat schließlich einen Vater, nicht?«
»Ach, der! Der ist tot. Er war sehr viel älter. Celia muß damals nach einer Vaterfigur gesucht haben. Immerhin hatte er einen Haufen Geld, und sie war hinterher fein raus. Als ich sie kennenlernte, war sie eine richtige lustige Witwe.«
»Dann steht das Kind jetzt ganz allein da – oder gibt es noch andere Verwandte?«
»Sie ist kein Kind mehr, und es kommt nicht in Frage, daß ich sie zu mir nehme!«
»Nein, nein … Sie hätten ja auch kaum genug Platz. Aber Sie sprachen von einem Haus in London?«
Wieder verschränkte Forbes abwehrend die Arme vor der Brust. »Das erbt garantiert sie. Ich lebe hier.«
»Warum?«
»Warum was?«
»Warum leben Sie hier? Ich frage nur so aus Neugier, aber ich kann mir nicht vorstellen, daß ich plötzlich mein Heimatland verlassen und mich irgendwo in der Fremde niederlassen würde … jedenfalls«, setzte er hinzu, »nicht ohne triftigen Grund.«
»Nein, das könnten Sie vermutlich nicht.« Der Maresciallo verstand sehr wohl, wie das gemeint war: Er wäre nicht dazu imstande, weil er einer niedrigeren Schicht angehörte, nicht aus dem richtigen Milieu kam, dem, das einem das Recht gab, von Land zu Land zu ziehen und sich – mit Billigung der eigenen Frau – in anderen Betten zu tummeln. Doch Guarnaccia ließ sich nicht beirren: »Wahrscheinlich gab es Probleme, die Sie dazu bewogen haben, England zu verlassen?«
»Nein, es gab keine Probleme!«
»Dann eine Beziehung, zu der Sie Abstand gewinnen wollten?«
»Nein! Haben Sie noch nie von Leuten gehört, die nach Italien oder Frankreich ziehen, weil es ihnen dort gefällt? Weil sie ein kultiviertes Ambiente schätzen – besonders Künstler und Schriftsteller … Na ja, davon lernen Sie in Ihrem Beruf wohl nicht viele kennen.«
»Viele nicht, nein«, bestätigte der Maresciallo bescheiden, »daher wahrscheinlich auch meine Neugier.«
Das Thema interessierte ihn wirklich. Vor allem aber überzeugten ihn die angeführten Gründe nicht. Was Forbes vorbrachte, klang plausibel, genau wie das, was die Signorina Müller über die besten Architekten der Welt und all das gesagt hatte. Trotzdem hatte er auch das nicht geschluckt. Schließlich gehörte man doch in das Land, in dem man geboren und aufgewachsen war. Und was war mit der Sprache? Außerdem hatte man nicht die gleiche Kultur, die gleichen Empfindungen wie andere Völker. Mit all dem belastete man sich doch nicht wegen ein paar schönen Bauwerken. Nein, nein, da mußte es schon noch einen anderen Grund geben. Die Italiener, die nach Deutschland gingen, taten das aus finanziellen Gründen, und sie konnten gar nicht schnell genug wieder heimkommen. In einer Notlage auszuwandern war eine Sache, sich freiwillig in die Verbannung zu begeben eine andere. Dafür mußte es einfach einen triftigen Grund geben. Vielleicht mußte man hartnäckig danach forschen, und womöglich würden die Befragten das Blaue vom Himmel herunterlügen, aber deswegen gab es ihn trotzdem, diesen Grund, und er würde ihn finden. Als dieser Entschluß gefaßt war, sagte er: »Ich weiß natürlich, wie sehr die Ausländer die hiesige Architektur schätzen und die Gemäldegalerien. Italien ist in der Tat ein wunderschönes Land. Ich stamme übrigens aus Sizilien.«
»Dann sind Sie aber auch ganz schön fern der Heimat.«
»Na ja, Sie wissen ja, wie das ist, beim Militär …«
Er konnte damit anfangen, daß er sich erkundigte, ob Forbes in England vorbestraft war. Nicht, daß er sich da große Hoffnungen gemacht hätte. Forbes sah aus wie einer, der ungerührt andere ins Elend stürzt, selbst aber immer heil davonkommt und fröhlich weitermacht – mit seinem Leben, mit seinem nächsten Artikel. Trotzdem würde der Maresciallo sich erkundigen.
Obwohl er längst alle Fragen gestellt hatte, die ihm nur einfallen wollten, saß er immer noch da und
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