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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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ließ den anderen seine Pausen füllen, bis er nur noch schwieg, während Forbes redete und redete, bemüht, ihn zu rühren, zu überzeugen, sich beliebt zu machen. Aber der Maresciallo sah ihn nur mit ausdruckslosen, hervorquellenden Augen an, und je zappeliger Forbes wurde, desto unbeweglicher saß er da. Als er meinte, nun habe sein Besuch lange genug gedauert, stand er abrupt auf, obwohl Forbes gerade mitten im Satz war. Er tat das nicht aus Unhöflichkeit. In Wahrheit hatte er, wie so oft, überhaupt nicht zugehört, sondern nur die wachsende Spannung beobachtet, die seinem Gefühl nach jetzt den Höhepunkt erreicht hatte. Der Mann hatte große Angst. Man konnte es förmlich riechen. Solche Angst, daß nicht einmal der ersehnte Aufbruch des Maresciallos ihm Erleichterung verschaffte – die freilich auch nur von kurzer Dauer gewesen wäre.
    »Ich komme noch mal wieder«, erklärte der Maresciallo, als er seine Mütze zurechtrückte. »Im Laufe des Tages.«
    Das war ernst gemeint, auch wenn er eigentlich vorhatte, dann die Signorina Müller zu besuchen.
    Forbes rieb ein Taschentuch zwischen seinen Handflächen, die offenbar ebenfalls schwitzten.
    »Sie meinen, ich soll den ganzen Tag zu Hause bleiben …«
    »Oh …« Der Maresciallo sah ihn zerstreut an. »Nicht, wenn Ihnen das Unannehmlichkeiten macht.«
    Er hatte das sichere Gefühl, daß Forbes daheimbleiben würde, ja, daß er in jedem Fall geblieben wäre (selbst wenn er gewußt hätte, daß sein Besuch jemand anderem galt), einfach weil er nichts verpassen wollte. Schön und gut. Vielleicht fiel ihm ja noch etwas Sinnvolles ein, was er ihn bei seiner Rückkehr fragen konnte.
    Und der Maresciallo kam zurück. Sein Wagen parkte gut anderthalb Stunden im Hof, wo man ihn von der Scheune aus gar nicht übersehen konnte, und der Kurzwellenempfänger durchbrach die Stille mit seinem Rauschen und Knattern und mit schnarrenden Stakkatodurchsagen. Ganz bestimmt hielt Forbes hinter der durchbrochenen Backsteinfassade Ausschau und lauschte.
    Als der Maresciallo sich zum Gehen anschickte, senkte sich die Dämmerung über den kurzen Winternachmittag. Mechanisch knöpfte er seinen Überzieher zu und drückte die Mütze tiefer in die Stirn, als er auf den Wagen zuschritt, wo Fara schon den Motor anließ. Trotzdem überraschte ihn der kalte Luftzug, der ihm entgegenschlug. Binnen ein oder zwei Stunden war die Temperatur drastisch gesunken. Und als er nach links hinunter ins Arno-Tal blickte, sah er, wie in Florenz unter einer schweren, unbeweglich trägen Wolkendecke die ersten Lichter aufflammten. Doch jenseits der Stadt, wo das graue finstere Wolkenband zu Ende ging, zeichnete sich die Silhouette der Hügel glasklar vor einem blauvioletten, taghellen Horizont ab. Und weil es rings um die Villa Torrini so still war, konnte man es von weitem hören – ein fernes, schwaches Raunen.

6
    Die tramontana erreichte Florenz noch in derselben Nacht. Sie fegte die roten Ziegel von den Dächern, warf Blumentöpfe von denFensterbänken, schlug offene Fensterläden gegen bröckelndenPutz. Fernsehantennen wurden aus der Verankerung gerissen und baumelten bedrohlich über der Straße;Müllsäcke rutschten von allzu hoch getürmten Abfallhaufen und schlitterten den Gehsteig entlang, bis sie platzten und ihr Inhalt in die Freiheit trudelte. Mopeds stürzten um und blieben auf der Fahrbahn liegen; die Bäume schwankten und ächzten, indes ihre schwächeren Äste krachend niedersausten und die in ihrem Schutz geparkten Autos zerbeulten. Um drei Uhr morgens hatte der Nordwind fast alle Bewohner der Stadt aufgeweckt, und man sputete sich, die Läden zu verrammeln, vergessene Wäsche von der Leine zu holen oder eine besonders geliebte Balkonpflanze zu retten. Und als die Leute alle erdenklichen Vorkehrungen getroffen hatten, hielt der Lärm sie in ihren Betten wach: bald ein unheilvolles Krachen, das beängstigend nahe klang, bald das Heulen der Sirenen von Krankenwagen, Polizeiautos und Feuerwehr. Und als sie sich auch daran gewöhnt hatten, blieben sie wach, weil die Temperatur unter den Gefrierpunkt sank, sie sich aber nicht mehr dazu aufraffen konnten, aus dem Bett zu steigen und eine weitere Decke zu holen oder auch nur die Heizung anzustellen, die drei schwülwarme Wochen hindurch aus geblieben war. Die wenigen, denen es gelang, all diese Aufregungen zu verschlafen, wurden irgendwann sehr unsanft von Mann oder Frau geweckt.
    »Hör doch! War das unser Dach?«
    »Hast du die Läden alle

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