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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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zugemacht? Irgendwo klappert was!«
    »Du schläfst doch nicht? Gut, dann zieh den Bademantel über und geh mal nachsehen – ach, und wenn du sowieso gerade auf bist …«
    Der Maresciallo, dessen Läden alle gut verschlossen waren und der auch die Heizung eingeschaltet hatte, lag trotzdem wach und horchte auf die Geräusche von draußen. Sie waren es freilich nicht, die ihm den Schlaf raubten. Er lauschte ihnen nur, weil er ohnehin wach war und das schon seit geraumer Zeit. Die Schuld daran trug er selbst, und das wußte er auch. Guarnaccia litt Höllenqualen. Beim Abendbrot hatte er sich gehorsam an seine Diät gehalten, weshalb er hinterher, statt friedlich vor dem Fernseher einzudösen, noch munter genug gewesen war, um seine Notizen über das neue Strafrechtsverfahren zu studieren. Er hatte sich an den Küchentisch gesetzt, damit Teresa drüben im Wohnzimmer ungestört einen Film sehen konnte. Aber nach etwa anderthalb Stunden peinigte ihn der Hunger so arg, daß er sich dabei ertappte, wie er denselben Satz fünf- oder sechsmal hintereinander las, ohne auch nur ein Wort zu behalten. Und aus rechtschaffenem Zorn darüber, daß sein Magen ihn an der Erfüllung seiner Pflichten hinderte, machte er sich vier Panini mit einer Wurst, die gewürzt war mit Pfefferkörnern und Fenchelaroma. Einer frischen, fetthaltigen Wurst, die man beim besten Willen nicht mit Wasser hinunterspülen konnte. Guarnaccia spülte mit Wein nach.
    Etwa eine halbe Stunde lang fühlte er sich richtig euphorisch und las frohgemut und zielstrebig weiter.
    Hieraus erhellt eindeutig, daß Eingriffe dieser Art unvereinbar sind mit der Anklägerrolle des Staatsanwalts, welchem aufgrund des tradierten dialektischen Gleichgewichts zum Beklagten keinerlei Verfügungsgewalt über letzteren zusteht, woraus wiederum der Verzicht des erstgenannten auf jedweden Sonderstatus im verfahrenstechnischen Bereich erfolgt.
    Was alles ganz plausibel klang, während er es las, sich aber regelmäßig in Luft auflöste, sowie er zum nächsten Absatz überging. Der Maresciallo nahm einen neuerlichen Anlauf, wobei er unbehaglich auf dem harten Stuhl herumrutschte und sich mit einer Hand zerstreut den Bauch tätschelte.
    Unter Berücksichtigung dieses verkürzten Handlungsspielraums sieht die Prozeßordnung vor, die Amtsverrichtung vom Devolutionsrecht ins Substitutionsrecht umzuwandeln und die Rolle der Staatsanwaltschaft als Organ der Rechtspflege neu zu definieren … Vielleicht, daß man sich in einem bequemen Sessel besser konzentrieren könnte. Eine Weile plagte er sich noch ab, bis ihm dämmerte, woher seine Beschwerden kamen. Die vier Stullen hatten sich in seinem Bauch scheinbar zu vier Brotlaiben ausgewachsen. Er hatte wohl übertrieben. Wie konnte er auch nur so leichtsinnig sein?
    Das hatte er nun davon. Um vier Uhr morgens brannten die Pfefferkörner ihm Löcher in die Eingeweide, das Magenknurren vermengte sich mit dem Aufruhr draußen und mit den Problemen, die sich wie Mühlsteine in seinem Kopf wälzten. Und als alle Ingredienzien der Schlaflosigkeit beisammen waren, gab er noch die letzte und alles entscheidende Prise hinzu, indem er sich die bange Frage stellte, wie er seinen morgigen Auftritt vor Gericht überstehen sollte, wenn er heute nacht kein Auge zutat.
    Schon wieder eine Sirene … diesmal von der Ambulanz. Wenn er weiter solche Blähungen hatte, würde er die auch bald brauchen. Vielleicht konnte er sich allein schon durch die Bewegung Linderung verschaffen, wenn er aufstand und etwas gegen Sodbrennen einnahm. Aber er war so müde und zerschlagen, daß er gar nicht erst aus dem Bett kam. Das ungestüme Heulen des Windes setzte ihm zu wie Kindergeschrei. Diffuse Ängste plagten ihn, doch er war zu müde, um ihnen auf den Grund zu gehen, auch wenn er sich noch so sehr anstrengte. Denn wenn er nun schon wach lag, konnte er wenigstens ein paar Dinge klären. Angefangen mit der Exilfrage. Da hatte er gar nicht so falsch gelegen. Signorina Müller hatte Österreich während des Krieges verlassen, weil ihre Mutter Jüdin war … Nein, schon vor dem Krieg, sobald ihr klar wurde, woher der Wind wehte, war sie nach London gegangen und von dort vor den Bomben in ein winziges Küstennest geflohen … Ein ohrenbetäubender Krach, gefolgt von einem metallischen Scheppern draußen auf dem Kies. Bestimmt hatten die Bäume in den Boboli-Gärten heute nacht allerhand abgekriegt.
    Aus dem Bedürfnis nach einer bequemeren Lage drehte er sich vorsichtig auf die

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