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Geburtstag in Florenz

Geburtstag in Florenz

Titel: Geburtstag in Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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zumindest nicht ganz unberechtigt, weil Chiara log, genau wie die beiden anderen gelogen hatten, als es um den Zeitpunkt ging, zu dem der Streit ausgebrochen war. Der Staatsanwalt vermutete zu Recht, daß sie das Kind wohl kaum um Mitternacht abgeholt hatten. Und doch war die Grazzini in den frühen Morgenstunden auf der Straße abgeladen worden. Dafür gab es nur eine logische Erklärung, daß nämlich die drei stundenlang gezögert hatten, ehe sie sich entschieden, die schwerverletzte Frau loszuwerden. Stunden, in denen sie wissen mußten, wie schlecht es um sie stand, weil sie sonst ihrer Wege gegangen wären. Aber sie gingen nicht, sondern blieben, alle drei, blieben mit einer Frau zusammen, die ihnen unter den Händen verblutete, während das Kind … Stunden voll panischer Angst, in denen sie, statt wie gelähmt dazusitzen, das Leben der armen Frau hätten retten können und sich selbst vor dem bewahren, was nun geschah. Warum hatten sie so gehandelt? Aus Selbsterhaltungstrieb natürlich, und genau der war ihnen dann zum Verderben geworden. Wenn sie es nicht so raffiniert hätten anstellen wollen … Und Forbes? Auch er hatte sich, nachdem geschehen war, was auch immer geschehen sein mochte, hingesetzt und nachgedacht, und beim Denken begann er, um sich Mut zu machen, mit dem Trinken. Das war sein Verhängnis gewesen. Daß er sich sinnlos betrunken hatte.
    »Ich hatte alles vorbereitet. Eine Krippe hab ich gekauft und einen Baum mit richtigen Kerzen. Geschenke …« Chiara versagte die Stimme, und als sie weitersprach, gingen ihre Worte fast in Schluchzen unter: »Ich wollte mein kleines Mädchen bei mir haben! Es war doch Weihnachten, und ich wollte …« Sie wischte sich die Tränen von den Wangen und schniefte so laut, daß das Mikrophon fast explodiert wäre. »Ich hab kein Taschentuch …«
    Die kleine Fiammetta wäre die einzige gewesen, die ihnen hätte sagen können, wann ihre Mutter und Saverino eingetroffen waren. Aber sie hatte nichts verraten.
    »Ich kann mich nicht erinnern. Aber ich glaube, es war schon sehr spät.«
    Und ihre Augen in dem Gesichtchen, das zu alt war für den schmächtigen Körper, hatten den Maresciallo angefleht, nicht weiter in sie zu dringen.
    »Möchtest du wieder bei deiner Mami wohnen?«
    »Ja.«
    »Bist du denn nicht gern bei der Oma?«
    »Doch.«
    »Aber du willst nicht bei ihr bleiben?«
    »Doch, aber ich darf nicht.«
    »Wenn du sagst, daß du’s möchtest, dann darfst du schon.«
    »Nein, es geht nicht. Meine Mami hat’s gesagt.«
    »Wieso? Hat sie dir auch gesagt, warum’s nicht geht?«
    »Weil die Oma schon sehr alt ist und bald sterben wird, wie Bobo.«
    »Wer ist Bobo?«
    »Der Kater von der Oma. Er ist gestorben, weil er sehr alt war, und überfahren hat man ihn auch noch, und sie tun einen in eine Kiste, wenn man tot ist, und da kann man nicht raus, weil man auf dem Friedhof bleiben muß, und darum muß ich zu meiner Mami ziehen.«
    Obwohl ihr kleines Gesichtchen schon so alt und verhärmt aussah, war ihr Geist ebenso unterentwickelt wie ihr Körper. Als der Maresciallo sie fragte, ob sie ihm erzählen könne, was passiert sei, da malte sie ihm ein Bild, das er nicht verstand, obwohl sie ihm die Strichmännchen einzeln beim Namen nannte.
    Später hatte ein Kinderpsychologe die Zeichnung und das Kind analysiert und dringend davon abgeraten, Fiammetta dem Prozeßgeschehen auszusetzen.
    »Hast du meinen Papa ins Gefängnis gesperrt, oder macht er Ferien?«
    Er hatte ihr darauf nicht antworten können, aber zum Dank dafür, daß er bei ihr ein Auge zugedrückt hatte, ließ sie es ihm durchgehen.
    »War die Grazzini schon betrunken, als Sie ankamen – wann immer das gewesen sein mag?«
    »Sie war betrunken und machte uns eine schreckliche Szene.«
    »Kam das oft vor?«
    »Nicht andauernd, aber wenn, dann hat sie voll durchgedreht. Antonio wollte immer, daß sie zum Doktor geht, aber sie hat ja nicht auf ihn gehört.«
    »Wieso sollte sie zum Arzt? Weil sie Alkoholikerin war?«
    »Sie war keine Alkoholikerin, sie war bekloppt. Der Suff hat’s immer in Gang gebracht, aber sie war bekloppt, und Antonio meinte, das wär von dem Unfall gekommen. So ein Kerl im Lieferwagen hat sie mal mit ihrem Moped zusammengefahren, und dabei ist ihr der Schädel aufgeplatzt. Danach fing es an. Sie ging immer in diese Pianobar auf der Piazza, wo gesungen wird, und früher oder später fing sie mit irgendwem Streit an. Und wenn die sie vor die Tür setzten, dann drohte sie, daß sie

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