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Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Titel: Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gruber
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die für das Auslösen des Aktionspotenzials verantwortlich sind. Ein denkender Mensch ist also im übertragenen Sinn tatsächlich so etwas wie eine Leuchte. Damit wurde es möglich, wichtige Fragen aus der Neurowissenschaft zu lösen. Unter anderem die, wie ein Gedanke entsteht. Denn bei der Entstehung eines Gedankens synchronisieren sich nicht Glühwürmchen, sondern Neuronen. Alle Neuronen, die einen Gedanken repräsentieren, „blinken“ exakt gleichzeitig. Man spricht dabei von feuern, das heißt, sie geben ein elektrisches Signal ab. Alle Neuronen eines Gedankens sind durch die Synapsen miteinander verbunden und erfahren alles zur selben Zeit. Wenn so eine Verbindung zwischen den Neuronen besteht, dann wird sie mit der Zeit verstärkt, und so können wir denselben Gedanken das nächste Mal leichter denken. Wir haben ihn quasi gelernt. Er ist uns förmlich in Fleisch und Blut übergegangen, wenn Sie so wollen. Also Blut weniger, die Mühen, die Ihnen das letzte Sudoku gemacht hat, lassen sich nicht am Blutbild ablesen, aber diese Verstärkungen sind physisch nachweisbar. Nach einem Gedanken erscheinen die hemmenden Neuronen am Spielfeld und schalten den Gedanken wieder ab, indem sie den erregenden Neuronen sagen: Feuer einstellen, es reicht fürs Erste. Und so geht das pausenlos dahin, solange wir leben. Man kann nämlich nicht nichts denken, irgendwas ist immer los im Gehirn.
    Aber jetzt kommt der Superjoker: Wenn ein Gedanke einmal gelernt wurde, dann reicht es, wenn zwei Drittel der Neuronen feuern, dann wird das letzte Drittel gezwungen, mitzufeuern. Auch wenn es sich gerade auf Zeitausgleich befindet, es hat immer Rufbereitschaft: Wenn die anderen zwei Drittel feuern, muss es zur Dienststelle kommen. Es wird sozusagen dazusynchronisiert. So wird ein Gedanke aka ein Muster vervollständigt. Deshalb brauchen wir einen Menschen, den wir kennen, nicht jedes Mal von Kopf bis Fuß begutachten, sondern es reichen ein paar Hinweise, und den Rest erledigt das Feature Autocomplete. Und so kann es auch passieren, dass wir zu sehen glauben, dass Hund und Herr einander stark ähneln, obwohl die Gemeinsamkeiten sich in Grenzen halten. Weil einige Anhaltspunkte reichen und unser Gehirn ein Muster vervollständigt. Wir sehen mehr, als wir eigentlich sehen. So kommt übrigens auch ein Déjà-vu zustande.
Im Banne des Seehasen
    Wie Lernen funktioniert, das hat kein Glühwürmchenforscher herausgefunden, sondern der kanadische Psychologe Donald O. Hebb. Er erkannte in den 1950er-Jahren, dass Neuronen, die gleichzeitig aktiv sind, ihre Verbindungen verstärken. Die Entdeckung der Gedanken, wie wir sie heute beschreiben, begann aber schon vor über 100 Jahren. Der italienische Mediziner und Physiologe Camillo Golgi entdeckte Ende des 19. Jahrhunderts eine Färbetechnik, die Silbernitrattechnik, mit der es möglich war, feine Strukturen des Gehirns einzufärben. Das Problem bestand bis dahin darin, dass man entweder alles einfärbte oder nichts. Schwarze Strukturen sind auf einem schwarzen Hintergrund aber nur sehr schwer zu erkennen. Mit Golgis neuer Färbetechnik erkannte man nun unglaublich viele Details: Bahnen, die quer durch das Gehirn verlaufen, geschichtete Strukturen oder auch kleinste Kerne im Gehirn. Der wohl wichtigste Neurowissenschaftler der Geschichte, sozusagen der Albert Einstein der Neurowissenschaften, der spanische Mediziner Ramón y Cajal postulierte im Weiteren, dass das Gehirn aus kleinsten Strukturen besteht. Diese Strukturen wurden als Neuronen bekannt. Für ihre Erkenntnisse bekamen die beiden im Jahr 1906 den Nobelpreis.

    FACT BOX | Neuronen
    Die Bezeichnung Neuron stammt vom deutschen Anatomen Heinrich Wilhelm Waldeyer. Erst durch die Färbetechnik von Camillo Golgi konnte man einzelne Neuronen identifizieren. Man kann die Neuronen nach ihrer Funktion oder nach ihrem Aussehen unterscheiden. Heute kennt man über 100 verschiedene Arten. Praktisch reicht es aber zu wissen, dass es zwei Arten von Neuronen gibt: erregende und hemmende. Die erregenden Neuronen, auch als Pyramidenzellen bekannt, besitzen einen pyramidenförmigen Zellkörper. Im Zellkörper werden ausreichend Moleküle für das übrige Neuron synthetisiert, was der Regeneration des Neurons dient. Oberhalb des Neurons befinden sich die Dendriten. Dabei handelt es sich um Äste, die sich in alle Richtungen strecken.

    Unterhalb des Zellkörpers befindet sich das Axon, ein langer dünner Strang, der die Signale über größere Distanzen

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