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Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln

Titel: Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Gruber
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weiterleiten kann. Am Ende des Axons verzweigt es sich wie die Wurzeln eines Baumes. Diese Verzweigungen nehmen dann mit anderen Neuronen vor allem über die Dendriten Kontakt auf. Deshalb sind sowohl die Dendriten als auch die Enden der Axone auch so extrem verzweigt: damit möglichst viele Kontakte hergestellt werden können.
    Diese Kontaktstellen haben einen eigenen Namen, sie werden als Synapsen bezeichnet. Man kann zwar sagen, dass die Neuronen die Basisbausteine des Gehirns sind, aber die wirkliche Arbeit und leider auch die Probleme machen in der Regel die Synapsen. An den Synapsen entscheidet sich, ob wir etwas lernen, ob wir an Schizophrenie oder an Depression leiden. Was passiert dort genau?
    Ein elektrisches Signal kommt über ein Axon zu den Axonkollateralen. Auf dieser Verästelung befindet sich eine Ausstülpung, die sogenannte Präsynapse. Dort führt das elektrische Signal dazu, dass an der Oberfläche der Präsynapse eine chemische Substanz freigesetzt wird. Diese chemische Substanz, auch als Neurotransmitter bezeichnet, wandert durch den synaptischen Spalt, der 30-mal kleiner ist als die Lichtwellenlänge von rotem Licht.
    Die einzelnen Neuronen sind durch diesen Spalt voneinander getrennt. Der Neurotransmitter wandert dann zum anderen Neuron und wird dort an spezielle Rezeptoren gebunden. Dadurch entsteht dann wieder ein elektrisches Signal, welches über einen einzelnen Dendriten zum Zellkörper wandert. Dort, wo das Axon dem Zellkörper entspringt – man spricht vom Axonhügel –, werden nun alle Signale zusammengezählt, und wenn ein bestimmter Wert überschritten ist, wird ein Aktionspotenzial ausgelöst.
    Dieses Signal ist dann besonders stark und wandert wiederum über das Axon und über die Axonkollateralen weiter. Wird der Schwellwert nicht erreicht, dann verschwindet das Signal im Rauschen des Gehirns und hat für die Zukunft keine Bedeutung mehr.

    Was Donald O. Hebb als seine Lernregel postulierte, konnte der Neurowissenschaftler Eric Kandel experimentell nachweisen. Nämlich,
     dass beim Lernen die Synapsen, also die Kontaktstellen zwischen den beteiligten synchron aktiven Neuronen, ihre Übertragungsrate steigern. Und dass es
     verschiedene Mechanismen gibt, die dafür sorgen, dass dann mehr Neurotransmitter ausgeschüttet werden als normalerweise. Kandel, ein ehemaliger
     Österreicher, 1939 von den Nationalsozialisten vertrieben, bekam im Jahr 2000 dafür den Nobelpreis für Medizin, weil er einen von mehreren Prozessen
     erklären konnte, bei dem die Synapsen während der hebbschen Lernregel ihre Aktivität erhöhen. Herausgefunden hat er es sozusagen im Schneckentempo. *
    * Dass Donald O. Hebb den Nobelpreis nicht bekam, dürfte an seiner Zusammenarbeit mit der CIA liegen, für die er an der Entwicklung neuer Methoden der Gehirnwäsche und der sogenannten Weißen Folter gearbeitet hat. 2
Gedankenlesen durch Schneckenstreicheln
    Neuronen sind in der Regel nicht sehr groß. Das menschliche Gehirn ist bei Weitem zu komplex und die Neuronen und Synapsen sind zu klein, um genaue Untersuchungen anstellen zu können. Wer beim Menschen die Schädeldecke aufschneidet, sie abhebt und aufs Gehirn schaut, kann die Neuronen noch nicht bei der Arbeit beobachten. Das heißt, eigentlich geht es schon, aber es wird selten gemacht, weil die Probanden das nicht so lässig finden. Und die Ethikkommission billigt solche kruden Versuchsanordnungen auch nicht. Das macht Untersuchungen von Gedanken schwierig. Das wusste auch Eric Kandel, als er in den 60er-Jahren des 20. Jahrhunderts mit seinen Experimenten begann. Um zu erforschen, was in Neuronen während des Lernens passiert, suchte Eric Kandel daher ein Tier, das zum einen eine kleine Menge an relativ großen Neuronen besitzt. Und es sollte zum anderen über nur wenige, aber dennoch ausreichend komplexe Verhaltensweisen verfügen. Woher nehmen und nicht stehlen? Aus dem Meer. Kandel fand das optimale Forschungsobjekt in der Aplysia californica , einer Schneckenart, die auch kalifornischer Seehase ( sea hare ) genannt wird. (Sie werden mir an dieser Stelle ein weiteres Mal zustimmen müssen, dass Wurmgrunzer die bessere Wahl war.) Die größten Exemplare der Aplysia können eine Länge von bis zu eindreiviertel Meter erreichen und an die zwei Kilogramm auf die Waage bringen. Wenn man den menschlichen Body-Mass-Index für Kinder anlegt, hätte die Schnecke extremes Untergewicht und wäre ein Fall fürs Jugendamt, in der Schneckenwelt handelte es sich

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